■ Kolumne
: Das Schweigen zu den Böhsen Onkelz

Als vor einigen Jahren die bis dahin als rechtsradikal bekannte Rockband Böhse Onkelz in die Spitzenpositionen der deutschen Charts einzog, war das Entsetzen groß. Vom Ende der Jugendkultur, wie wir sie kennen, war die Rede und die verschiedensten Strategien wurden überlegt, es dieser Band und ihrem Umfeld so schwer wie möglich zu machen. Es gab nicht Wenige, die die Meinung vertraten, am wirkungsvollsten sei es, die Band totzuschweigen. Die Argumente seien eh eindeutig und bekannt, hätten dennoch aber bisher nicht verhindern können, daß die Gruppe so populär geworden sei. Außerdem sei jede PR schließlich gute PR.

Leider bewirkt diese Strategie das Gegenteil: Heute sind die Böhsen Onkelz akzeptiert. Zunächst gab es in Hamburg kein Plattengeschäft, daß ihre Platten zu verkaufen bereit war, kein lokaler Veranstalter und kein Club wollte mit ihnen zusammenarbeiten, kaum ein Plakat hing länger als ein paar Stunden. Heute ist diese Boykottfront fast restlos zusammengebrochen. Die im Besitz des Thorn-EMI-Konzerns befindliche Plattenfirma Virgin hat die Gruppe unter Vertrag genommen und der Protest fiel milde aus. Virgin begann sogleich mit einer ausgesprochen aufwendigen PR-Kampagne für die Gruppe, und da kritische Stimmen weitgehend ausblieben, da man ja beschlossen hatte, zu schweigen, schien die ganze Welt mit der Gruppe ihren Frieden gemacht zu haben.

Die wahre politische Einstellung der Gruppenmitglieder kennt niemand, da will ich auch niemand etwas „unterstellen“, wie das laut Virgin-Info „selbstgerechte und ignorante Medienvertreter“ tun. Fest steht, daß sie auf ihren frühen Platten explizit rechtsradikale Texte gesungen haben. Später haben sie sich von diesen Texten distanziert. Die Tatsache, daß sie den Bandnamen beibehalten haben zeigt jedoch, daß diese Distanz so groß nicht sein kann.

Ihre heutigen Texte verzichten auf eindeutig als rechts identifizierbare Passagen, verbreiten jedoch ein wolkige Stimmung dumpfer Rache und ein Allein-gegen-den-Rest-der-Welt-Gefühl, so daß ein jeder Fan der frühen Böhsen Onkelz auch die meisten heutigen Texte der Gruppe in seinem Sinne interpretieren kann. So schreibt folgerichtig auch der Autor des Presseinfos, daß die Band „sich seit Jahren steigender Popularität erfreuen kann. Warum dieses so ist, kann man auf jeder ihrer bisherigen Veröffentlichungen nachhören.“ Fragt sich nur, wann Virgin den Backatalog der Gruppe herausbringt.

Ich denke, daß es falsch war, die Machenschaften dieser Gruppe und den Sündenfall einer großen Plattenfirma schweigend zu ignorieren. Ich denke, daß es nicht möglich sein sollte, ungestraft rechtsradikale Parolen zu verbreiten, daß alles vergessen und vergeben ist, wenn man nur später irgendwann sagt, daß man seine Meinung geändert hat. Der Boykott hätte aufrechterhalten werden müssen und mit Virgin, die, nebenbei bemerkt, ja auch einiges Geld mit Bands mit linkem Selbstverständnis wie etwa Skunk Anansi oder den Walkabouts verdienen, hätte man ein ernstes Wort reden müssen. Diese Chance ist vorbei und durch das Beispiel der Böhsen Onkelz haben jetzt ähnlich gelagerte Bands und Plattenfirmen, die in ihnen Verdienstmöglichkeiten wittern, leichtes Spiel.