Wenn John Cage mit dem Finger schnippt

■ Die Michael Gordon Philharmonie im Konzert – dazu ein paar Ratschläge von K. S.

Zur Michael Gordon Philharmonie müssen Leute zählen, welche noch heute von Mißverständnissen zehren, die sie zum Beispiel mit den 60er Jahren verbinden. Die Michael Gordon Philharmonie schafft ohne Mühe den Sprung von Gitarren, wie sie Wire, eine der aufregendsten Bands am Ende der 70er Jahre, benutzt haben, zu Klängen, die den Komponisten La Monte Young zu einem zustimmenden Nicken und dessen Kollegen John Cage zum Fingerschnippen hätten bewegen können.

Die musikalische Seite hat bei dieser Philharmonie vor lauter Vollgepacktheit einen Schlag. Zu hören gibt es Sachen, die an die Sirenen erinnern, welche den Odysseus süß marterten, und Klänge, die nicht nur aus Luft und Dollerei bestehen, sondern einigermaßen erwartungsgemäß den Titel „Trance“ tragen. Gemeint ist dabei nicht nur eine wohlbekannte, nicht immer innovative Musikrichtung, sondern ein Konzept, bei dem – wie bei den in die 70er entlassenen Blumenkindern – die Wahl ansteht zwischen dem Psychoanalytiker Reich und Voodoo-Zuckungen, Innerlichkeit und ozeanischen Gefühlen direkt vom Synthesizer.

Die Kritik geht in Aufforderungen über: Die Michael Gordon Philharmonie möge sich nicht zuviel vornehmen, und sie soll zwischen ihrem Anliegen und den bei ihr versammelten guten Köpfen/Künstlerpersönlichkeiten unterscheiden. Sie soll eine überschaubare Aufgabe angeben und übererfüllen, dann werden die Aha-Erlebnisse nur so hereinpurzeln.

Die Michael Gordon Philharmonie möge Pathos am besten als Kern des Satzes „Witzischkeit kennt keine Grenzen, Witzischkeit kennt kein Pardon!“ erkennen. Zu lange Stücke, opernhaftes gedehntes Anspannen von Spannungsbögen lenkt ab.

Zuletzt: Das Wesentliche kann manchmal eine recht dröge Angelegenheit sein. Das Wesentliche muß keiner jemals vergessen, aber es braucht sich auch niemand dem Wesentlichen unterzuordnen. Und zuallerletzt: Die Regierung durch das Volk ist eine okaye Sache, die Regierung durch Töne gibt einen Eintrag ins Klassenbuch wegen Mißbetragen.

Wenn die Michael Gordon Philharmonie bei ihrem Konzert einige dieser kleinen Anmerkungen bedenkt, steht ein großes Konzert bevor.

Kristof Schreuf

Sa, 2. November, 21 Uhr, Westwerk