Der Western verwest im Anzug

■ Bruce Willis als Klassiker vor neuem Hintergrund: Last Man Standing von Walter Hill

So soll es sein: wortkarg und unmißverständlich zugleich. Ganz so wie Bruce Willis Walter Hills Heldenfigur gibt, ist auch der Anfang von Last Man Standing. Der geheimnisvolle Westernheld (Willis) reitet aus der öden Wildnis in die einsame Stadt ein, den von Gewalt und Korruption regierten Mikrokosmos. Nur sind inzwischen aus den Pferden Autos geworden und der Colt ist dem Maschinengewehr gewichen. Wir befinden uns in den dreißiger Jahren, der Zeit der Prohibition, und für alle, die noch immer dem klassischen Western nachhängen, liegt als eindeutiges Mahnmal ein von Fliegen übersäter Pferdekadaver auf der staubigen Hauptstraße.

Die veränderten äußeren Vorzeichen haben jedoch kaum Einfluß auf das Geschehen. So spielt sich vor dem modifizierten Hintergrund die gleiche Geschichte ab, die Sergio Leone 1964 als Western-Remake des Kurosawa-Klassikers Yojimbo in Für eine Handvoll Dollar erzählt hatte: Der namen-lose Revolver-Held gerät in einen Krieg zweier Banden, die um die Herrschaft eines Städtchens an der Grenze zu Mexiko kämpfen. Mal ficht er auf der einen, mal auf der anderen Seite, bis er sich entschließt, den einen gegen den anderen Clan auszuspielen, um beide Parteien auszulöschen.

Insofern fungiert Last Man Standing als doppeltes Remake. Und ganz im Sinne der verstärkten Konzentration auf Oberflächen, die zur Zeit viele Hollywood-Produktionen auszeichnet, zieht gerade der neue Rahmen die Aufmerksamkeit auf sich. Stilistisch sicher und mit ästhetischer Raffinesse erscheint die alte Geschichte in überarbeiteten Gewändern, die immer wieder ihre eigene Stofflichkeit ausstellen. Mit den Mitteln des Action-Kinos der 90er verknüpft Last Man Standing dabei den Italo-Western mit dem klassischen US-Gangsterfilm der dreißiger Jahre – so kehren neben Für eine Handvoll Dollar auch Django oder Scarface wieder. Eine vielversprechende Mischung. Keine neue, aber immerhin kommen die Western-Wurzeln des Gangsterfilms zutage, dessen Ex-Helden mit den obsolet gewordenen Wild-West-Tugenden in der urbanen Zivilisation ihr Glück versuchen und daran scheitern.

Das Scheitern selbst aber ist längst zum Bestandteil der jüngeren Mythen des Western-Kinos geworden. Und Last Man Standing bietet wenig an, was sein Genre erweitern oder in Bewegung setzen könnte. Bruce Willis bleibt in der Tradition des gebrochenen Anti-Helden verschont und die Gegensätze (Mann/Gesellschaft, Freund/Feind und Madonna/Hure) verharren im Stadium der späten 60er Jahre. Bilder, Rahmen und Oberfläche bleiben das Thema.

Jan Distelmeyer

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