„Harmonisch zusammengelebt“

■ Lübecker Brandanschlag: Die Überlebenden melden sich zu Wort / Am Sonnabend Demonstration für Safwan Eid

Bis heute konnten die ehemaligen BewohnerInnen der abgebrannten Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße nicht vor dem Landgericht ihre Erlebnisse schildern. Nur PolizistInnen, Feuerwehrleute und AnwohnerInnen wurden in den Zeugenstand geladen. Auf einer Pressekonferenz aber versprachen sie gestern: „Wir können einiges erklären.“

Marie Agonglovi etwa bezeichnete es als unvorstellbar, daß das Feuer, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet, im ersten Stock der Flüchtlingsunterkunft ausgebrochen sein soll. Sie wohnte selber mit ihrer Familie auf diesem Flur. „Nachdem ich von den Hilferufen wach geworden bin, konnte ich noch im ersten Stock rumlaufen“, erzählte sie und wies darauf hin, daß alle BewohnerInnen des ersten Stocks überlebt hätten. Entschieden wischte sie auch alles vom Tisch, was bislang als Tatmotiv für den Angeklagten Safwan Eid erwogen wurde: „Streit unter Familien? Wir haben harmonisch zusammengelebt“, erklärte sie. Von außen sei vielmehr versucht worden, die Flüchtlinge zu spalten: Nach dem Feuer seien die afrikanischen Familien in einer Kaserne, die BewohnerInnen aus arabischen Ländern in Hotels untergebracht worden.

Weil sie befürchten mußten, gar nicht als ZeugInnen geladen zu werden, wären viele Überlebende dem Prozeß gegen Safwan Eid als NebenklägerInnen beigetreten. Nur so, das erklärte Kibolo Katuta, konnten sie bislang in die „Suche nach der Wahrheit“ eingreifen. Erst ab kommenden Mittwoch, zwei Monate nach Prozeßbeginn also, dürfen die unmittelbaren AugenzeugInnen vor Gericht ihre Erlebnisse schildern.

Mitarbeiter der Spurensicherung der Lübecker Kriminalpolizei erklärten gestern vor dem Landgericht hingegen, das Feuer sei im ersten Stock des Gebäudes gelegt worden. Die Spuren deuteten darauf hin, daß die Eingangstür zum Vorbau verschlossen war. Das aus dem Brandschutt geborgene Schloß sei abgeschlossen gewesen, unter dem Türfalz habe kein Brandschutt gelegen. Sie stützten damit die Version der Anklage.

Am Samstag, 2. November, findet in der Lübecker Innenstadt eine bundesweite Demonstration für einen Freispruch von Safwan Eid wegen erwiesener Unschuld sowie für ein unbegrenztes Bleiberecht für die Überlebenden statt. Der Aufmarsch beginnt um 13 Uhr auf dem Koberg. Die Veranstalter, darunter das Lübecker Bündnis gegen Rassismus, wollen zudem die „unmenschliche Asylpolitik der Bundesrepublik“ anklagen.

Kontakttelefon 0451 / 702 07 48 (18-21 Uhr). ee/lno/mac