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Bodyguard für Bierbüchsen

■ Steintor-Supermarkt stellt Wachmänner gegen das Straßenvolk an die Eingangstür

Gerangel, Handgemenge, halbe Schlägereien – eigentlich hatte Ruhe einkehren sollen beim „Comet“-Supermarkt im Steintor. Doch so ganz hat das nicht geklappt. Seit Montag stehen zwei breitschultrige Zerberusse am Markt-Eingang. Die sollen verhindern, daß das unliebsame Straßenvolk vom angrenzenden Ziegenmarkt ins Haus kommt. Doch Junkies, Punks und Alkoholisierte, die das Pflaster rund um den Supermarkt besetzt halten, haben sich offenbar noch nicht an die neue Hausordnung gewöhnt. Gestern mittag beispielsweise war es wieder soweit. Einige Junkies hatten einkaufen gehen wollen, die Bodyguards wiesen sie ab, es kam zu einem Handgemenge, das eine zufällig vorbeikommende Polizeistreife schlichten mußte.

Insbesondere seit diesem Sommer hat sich die soziale Lage auf dem zentralen Platz der Steintorschen erheblich verschärft. Die Polizei hatte ihren Streifendienst am Sielwalleck intensiviert. Folge: Wer da verdrängt wurde, wanderte ein paar Meter weiter. Es entstand eine soziale Melange, die sowohl den Geschäftsleuten als auch den AnwohnerInnen zunehmend Angst machte. „Das ist schon eine extreme Szene“, sagt Comet-Filialleiter Jürgen Streits. „Für unsere Kunden war es das reinste Spießrutenlaufen. Und was sich unsere KassiererInnen anhören mußten, war schon schlimm.“ Eine Angestellte aus der Comet-Bäckerei: „Ich wurde schon bedroht. Abends habe ich mich nicht alleine aus dem Geschäft getraut.“ Das Personal sei weggelaufen, der Umsatz zurückgegangen, sagt der Marktleiter.

„Alles, was etwas schräg aussieht, darf nun nicht mehr rein“, sagt Streetworker Michael, der seinen Nachnamen lieber nicht preisgeben will. „Ein paar von den Leuten sind auf den Laden hier angewiesen, der Weg woanders hin wäre schon zu weit“, erklärt der gelernte Krankenpfleger. „Klar ist das Scheiße, wenn einer mit der Pumpe im Arm im Gemüse liegt, aber deshalb kann man doch die anderen nicht ausschließen“, beschwert sich die Junkiefrau Daniela.

Die Sicherheitsleute von der Firma Elko fühlen sich selbst als die Buhmänner. „Wir haben hier Streß ohne Ende. Spaß macht der Job echt nicht, aber ich stehe voll dahinter“, erzählt einer der Männer, der ungenannt bleiben möchte. Auf die Frage, nach welchen Kriterien aussortiert wird, kommen unklare Antworten. Sie seien von der Filialleitung angewiesen worden, daß die alle den Markt nicht mehr betreten dürfen, die sich regelmäßig vor dem Laden aufhalten. Egal, ob diejenigen schon mal unangenehm aufgefallen sind oder nicht.

Dabei sieht einer, der es wissen muß, die Lage längst nicht mehr so dramatisch wie noch im Sommer. Manfred Schurwanz ist Chef des zuständigen Polizeireviers: „Das ist längst nicht mehr so schlimm.“ Im Sommer habe die Polizei damit begonnen, häufiger Streifen an den Ziegenmarkt zu schicken. Mit Erfolg: „Es sind weniger geworden. Und sie pinkeln nicht mehr in die Ecke.“ johe/J.G.

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