Rechte Propaganda

■ NRW-Verfassungsschutz: Fünf Neonazi-Publikationen versuchen aus der Wirtschaftskrise Kapital zu schlagen

Berlin (taz) – Die rechtsextreme Szene versucht in jüngster Zeit verstärkt, aus der Krise des Sozialstaats neue Anhänger zu gewinnen. Darauf hat gestern der nordrhein-westfälische Innenminister Franz-Josef Kniola (SPD) in einem Zwischenbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz hingewiesen. Besondere Aktivitäten entfachen dabei Aktivisten der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP), die seit diesem Frühjahr mit einem großangelegten Zeitungsprojekt die zersplitterte Szene zu einigen versucht hat.

Dies scheint der Szene mit fünf Regionalausgaben der in Berlin herausgegebenen Berlin-Brandenburger-Zeitung für nationale Erneuerung (BBZ) – eine davon ist die Westdeutsche Volkszeitung – offenbar gelungen. Die Publikationen dienen nach Erkenntnissen des Amtes als Forum für „überörtliche Zusammenarbeit“ von Rechtsextremisten. Der neonazistische Charakter sei nur bei genauerem Hinsehen zu erkennen, heißt es im Bericht. Allgemein werde an „Bürgerängste“ appelliert und die Arbeitslosigkeit zum „gesellschaftlichen Problem“ schlechthin gemacht. Kern der rechtsextremen Pressearbeit sei die soziale Frage „als Dreh- und Angelpunkt zukünftiger politischer Entwicklungen“.

Immer stärker radikalisiert sich nach dem nordrhein-westfälischen Zwischenbericht die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und ihre Jugendorganisation JN. Während die Mutterpartei sich offen um Bündnisse von und mit Rechtsextremisten bemühe, entwickle sich die JN zunehmend zu einer „neonazistischen Kaderorganisation mit nationalrevolutionärem Charakter“. Auch bei den „Republikanern“ sehen die nordrhein-westfälischen Verfassungsschützer keinen Grund zur Entwarnung. Die Partei habe ihren Abwärtstrend offenbar gestoppt, nicht zuletzt dank des erneuten Einzugs ins baden-württembergische Landesparlament (9,1 Prozent) und des relativen Wahlerfolgs in Rheinland-Pfalz. Zwar versuche der Bundesvorsitzende Rolf Schlierer, sich von Rechtsextremisten abzusetzen. Dies sei aber eine „taktische Maßnahme“. Auf dem jüngsten Rep-Parteitag habe ein Drittel der Delegierten für rechtsextreme Kandidaten gestimmt.

Nach wie vor aufmerksam wird auch die Entwicklung bei der Wochenzeitung Junge Freiheit verfolgt, die bereits 1994 und 1995 im Verfassungsschutzbericht des Landes erwähnt wurde. Der Verdacht „rechtsextremistischer Bestrebungen“ habe sich auch im laufenden Jahr 1996 bestätigt. Als Begründung nennen die Verfassungsschützer das Festhalten der Zeitung an den Ideen der konservativen Revolution aus den 20er Jahren, die „nach heutigen Maßstäben“ rechtsextremistisch seien. Severin Weiland