Es zählt allein die gute Tat

■ Wie der Bundestagsabgeordnete Thomas Krüger für Berlin und sich Werbung macht

Berlin (taz) – Es stürmt in Berlin, und das Haushaltsloch wird immer größer. Alles halb so schlimm, denn die Stadt hat Thomas Krüger. Der 37jährige SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere Jugendsenator hat es mal wieder geschafft: Alle, alle sind sie an diesem Mittwoch morgen ins umgebaute DDR-Volksbildungsministerium Unter den Linden gekommen: die Hauptstadtgazetten, die Reporter überregionaler Blätter und sogar die der Nachrichtenmagazine.

Krüger, das ist die pure Selbstinszenierung. Einst posierte er zur Bundestagswahl 1994 nackt auf einem Plakat und läßt auch sonst die Berliner gerne an seinem Privatleben per Boulevardblätter teilhaben. An diesem Morgen gilt es, ins Innenleben des Abgeordneten zu blicken: Krüger hat einen Teil seines Bonner Büros nach Berlin verlagert. Vierzehn Quadratmeter sind staunend zu besichtigen, ein paar ausgewählte Kunstdrucke befreundeter Galeristen und eine ansehnliche 27jährige Assistentin noch dazu. Ein Büro haben zwar andere Berliner Abgeordnete vor ihm auch schon schon eröffnet. Aber eben niemand mit soviel Tamtam wie Krüger: Die Sensation muß mit einer Pressekonferenz gewürdigt werden. Da verkündet Krüger dann stolz, daß er seine „inhaltlich-fachliche Arbeit“ künftig allein von der Hauptstadt aus koordiniere, sich in Bonn hingegen nur noch um organisatorische Dinge kümmere.

Wie das alles zusammengehen soll, wird zwar im Pressegespräch so recht nicht klar – schließlich sitzt Krüger im Innen- und Sportausschuß des Bundestags. Es ist auch irgendwie wurscht, denn hier zählt eben allein die gute Tat, und derer hat das selbstmitleidige Berlin derzeit viele nötig.

Warnend hebt der frühere DDR-Theologe denn auch zur Schelte an: Nur 20 Prozent der 800 Berliner Bundestagsbüros, die bis zum Frühjahr 1997 fertig sein werden, würden überhaupt genutzt, an vielen hänge gar nur ein Schild. Daß in der Haupstadt schon gearbeitet werden kann, das wolle er, Krüger, mit seinem Büro beweisen – allerdings mit gewissen Schwierigkeiten. Irgendwie scheint die Bundestagsverwaltung den kommenden Umzug auf ihre Weise bremsen zu wollen. Einen Computer mußte sich Krüger selbst anschaffen, die Bundesdrucksachen werden nach wie vor in Kartons sichergestellt und dürfen nur von einer Mitarbeiterin herausgegeben werden. Wenn die dann einmal krank ist, „dann bricht hier alles zusammen“, erzählt Krüger. Bis vor kurzem wurde gar noch die Post aus Bonn erst dann an die Büros weitergeleitet, wenn genügend Briefe beisammen waren. Vier Tage bis zu einer Woche habe das schon dauern können, erzählt Krüger. Immerhin: Die Verwaltung habe das abgestellt, sagt er. Die sei „nicht begriffsstutzig“. Severin Weiland