„Musik ist wie ein Meer“

■ Der Slide-Guitar-Virtuose David Tronzo beehrt die Hansestadt und spielt solo, im Trio und zu einem Stummfilmklassiker

Nach dem großartigen KITO-Auftritt im März 95 hat die Jazzredaktion von Radio Bremen den US-amerikanischen Slide-Gitarristen David Tronzo erneut nach Bremen eingeladen. An zwei Abenden wird der Virtuose mit dem unvergleichlichen Sound, der lange Zeit im Umfeld der New Yorker Knitting Factory aktiv war, im Moments zu hören sein: einmal Solo und einmal mit seinem Trio (Stomu Takeishi am Bass und Aaaron Alexander an den Drums). Die taz hatte Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Musiker.

taz: Am Montag wirst Du nach einem Solo-Set live zu dem Stummfilmklassiker „Dr. Jekyll & Mr. Hide“ spielen. Kannst Du dazu etwas mehr erzählen?

Tronzo: Das Spannende und Herausfordernde an diesem Projekt ist, daß der Film im Grunde auf mehreren Ebenen abläuft, verschiedene Substories werden erzählt, und er hat mythische und allegorische Erzählebenen. Das musikalisch einzufangen, die unterschiedlichen Stimmungen, die im Film nicht einfach nur chronologisch angeordnet sind, aufzugreifen, nicht einer vordergründigen Dramaturgie zu folgen, sondern die verschiedenen Ebenen gleichzeitig musikalisch transparent zu machen, ist sehr herausfordernd. Ich habe also keine personenbezogenen Themen, bemühe mich, nicht so vorhersehbar zu spielen. Die Originalmusik ist ja ständig dramatisch, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu erhalten, davon setze ich mich in meinem Spiel ab, versuche auch Zwischentöne transparent zu machen.

Dein Spiel spiegelt verschiedene stilistische Einflüsse wider, Gospel, Blues, Country, Jazz, zu verschiedenen Zeiten und je nach Zusammenhang unterschiedlich akzentuiert. Was erwartet die ZuhörerInnen in Deinem Solo-Set?

Ich bin in den letzten Jahren vorwiegend solo aufgetreten oder im Duo. Das finde ich zur Zeit am spannendsten. Dabei habe ich meine verschiedenen Einflüsse und musikalischen Wurzeln immer mehr komprimiert. Melodische und harmonische Strukturen, Rhythmus, sind für mich immer wichtiger geworden, nicht nur bezogen auf die Gitarrenlinien, auch was den Sound betrifft. Ich versuche, ganz entspannt zu sein, der Musik selbst zu folgen, das empfinde ich als große Herausforderung. Du hast solo einfach eine größere Offenheit. Wenn du an einen Punkt kommst, wo es dir nicht mehr gefällt, kannst du auch einfach abbrechen. Du mußt nicht so sehr darauf achten, wohin die anderen gerade gehen, wie sie jetzt reagieren. Musik ist für mich ein Meer, du kannst ganz relaxt im Sonnenschein segeln, es ist schön, friedlich, aber Du kannst auch in einen Sturm geraten, es wird gefährlich, rauh, dunkel, du weißt nicht wohin du getrieben wirst. Ich bemühe mich, diese verschiedenen, auch ambivalenten Gefühle und Stimmungen in meiner Musik auszudrücken.

Hat sich die Musik Deines Trios seit dem letzten Auftritt in Bremen stark in eine neue Richtung bewegt?

Nun, man könnte eher sagen, daß sie wieder mehr zu den jazzigeren Anfängen zurückgekehrt ist. Im Kito-Konzert lag die Betonung besonders auf den Delta-Blues-Wurzeln in meiner Musik. Durch den neuen Schlagzeuger Aaron Alexander, der sich in der Myth Science Band stark mit der Musik Sun Ras beschäftigt hatte, geht die Musik wieder stärker in eine zeitgenössische Jazzrichtung. Free Jazz ist nicht das richtige Wort. Es wird zwar viel improvisiert, aber vieles ist auch ausgeschrieben. Ich habe in den letzten zwei Jahren, in denen ich meist solo aufgetreten bin, viel neues Material geschrieben. Mit dem Trio geht es mir um eine Verzahnung von notierten und improvisierten Teilen. So verändern sich die Stücke dauernd, wir wissen nie genau wie lang sie werden. Aber es klingt sehr interessant, erinnert mich stark an die Anfänge vor 10 Jahren.

arnaud

Am Montag, 4. November, um 21 Uhr und Dienstag, 5. November um 20 Uhr im Moments