Vulkan-Kündigungen waren rechtswidrig

■ Arbeitsgericht: Schichau-Seebeck-Werft durfte Mypegasus-Abtrünnige nicht entlassen

Als im Frühjahr die Hiobsbotschaft vom Konkurs der Vulkan-AG die Runde machte, setzte Hektik ein: Was würde aus den rund 4.000 Arbeitsplätzen in Bremen und Bremerhaven? Die Antwort auf diese Frage: Die neugegründete Mypegasus-Beschäftigungsgesellschaft sollte als Auffanglösung alle ehemaligen Vulkan-Arbeiter künftig nur noch als Leiharbeiter an die alten Arbeitsplätze vermakeln. So hatten es Konkursverwalter und Gewerkschafter hinter verschlossenen Türen ausgeknobelt. Arbeiter hatten zwei Tage Zeit, entsprechende Verträge zu unterschreiben. Was hinter vorgehaltener Hand als „Überrumpelung“ kritisiert wurde, hatte Erfolg: Mehrere Tausend Beschäftigte unterschrieben und gaben damit praktisch sämtliche Rechte gegenüber dem Arbeitgeber auf.

Nur 22 Werftarbeiter auf der Schichau-Seebeck-Werft weigerten sich, freiwillig auf ihren Arbeitsvertrag zu verzichten. Sie wurden gekündigt – das war rechtswidrig, befand jetzt das Bremerhavener Arbeitsgericht. Dort wurden gestern die ersten vier von insgesamt 22 Kündigungsklagen verhandelt. Deren Ergebnis: Das Arbeitsverhältnis der Kläger bei der Schichau-Seebeck-Werft besteht weiter.Theoretisch muß die pleitegegangene Werft die Männer beschäftigen. Praktisch deutet aber alles auf einen längeren Rechtsstreit hin, der die wirtschaftliche Existenz der Schichau-Seebeck-Werft möglicherweise um Jahre überdauert. Ob deren Geschäftsleitung wie angedeutet gegen das Urteil in Berufung geht, war bis Redaktionsschluß nicht bekannt. Fest steht vor allem eines: Die gewerkschaftlich geförderte Beschäftigungsgesellschaft als Auffanglösung für pleitegegange Betriebe und deren MitarbeiterInnen ist rechtlich zweifelhaft. Dies könnten auch die noch ausstehenden Verhandlungen belegen.

In allen Fällen haben sich die Beschäftigten geweigert, zur Mypegasus-Beschäftigungsgesellschaft zu wechseln – und damit auf alle Ansprüche gegenüber dem Betrieb zu verzichten. Dahinter steckten verschiedenste Gründe: Mißtrauen gegen diese Gewerkschaftsempfehlung; Angst, keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt zu haben oder einfach Widerwille dagegen, per Eilvertrag überrumpelt zu werden. „Das ging doch alles ganz schnell. Wir haben uns erst beim Arbeitsamt zufällig wiedergetroffen“, erinnern die Männer sich heute an die Ungewissheit von damals – und an den Druck des Betriebsrats: „Es hieß doch, daß der von der IG Metall ausgearbeitete Auflösungsvertrag die einzige Chance für uns und die Werft sei.“

In allen Fällen kam die Kündigung prompt – und die Gewerkschaft verweigerte promt die Rechtsberatung dagegen. Nur wer den Auflösungsvertrag unterschrieb, wechselte in die Mypegasus-Beschäftigungsgesellschaft. Vorteil für die Werft: Niedrigere Personalkosten durch den flexiblen Einsatz von Leiharbeitern und Abwicklung laufender Aufträgen. Erst nach einem Jahr Kurzarbeitergeld bei Mypegasus sollte, wenn keine Überlebens-Lösung für die Seebeck-Werft entwickelt würde, die offizielle Arbeitslosigkeit für die Beschäftigten beginnen. Das haben die vier Kläger von gestern bis heute nicht verstanden: „Obwohl doch Arbeit da ist, wurden wir rausgeschmissen. Das geht doch nicht.“

Das findet auch das Arbeitsgericht: „Der Konkurs setzt die Regeln zum Arbeitsschutz nicht außer Kraft“, mahnte der Richter. Dabei sehe er jedoch auch, „daß ohne diese Konstruktion der Beschäftigungsgesellschaft das Licht auf der Werft wohl komplett ausgegangen wäre.“ Dennoch sei der Ersatz von festen Arbeitskräften durch Leiharbeiter nicht richtig. ede