Bittmanns Ordnung

■ Die Firma Cinemarketing hat das Berliner Kinoprogramm neu sortiert. Und auch sonst gibt es für sie noch genug an Arbeit

Manfred Bittmann möchte Ordnung schaffen. Die Welt, insbesondere die Kulturwelt ist ihm zu chaotisch. Als Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes der Berliner Filmtheater nahm er sich vor einigen Jahren erst einmal das unübersichtliche Filmplakat der Stadt vor – ein Dorn im Auge des Systematikers. Es gab damals zwei getrennte, schlecht gestaltete Plakate: für Uraufführungsstätten und Programmkinos. Als die Firma, die mit dem Druck beauftragt war, keine Verbesserungsvorschläge machen konnte, war Manfred Bittmanns Stunde gekommen: Er legte selbst Hand an.

Da der Wirtschaftsverband eine Interessenvertretung ist und keine gewerblichen Dienstleistungen anbieten darf, wurde Ende 1992 die Cinemarketing GmbH gegründet. Geschäftsführer: Manfred Bittmann. Der nach dem Kinoplakat gleich den nächsten Mißstand anging, die Berliner Tageszeitungen. Dort, fand Bittmann, habe man sich zu viele Freiheiten in der Gestaltung der Programmseiten herausgenommen und zum Beispiel ganze Kinos herausfallen lassen, wenn es mit der Länge nicht ganz klappte.

Damit ist jetzt Schluß. Seit mehr als drei Jahren ist das Kinoprogramm in fester Hand. Von der taz bis zum Tagesspiegel, von der Berliner Zeitung bis zur B.Z., alle bekommen druckfertig layoutete Übersichten für die Donnerstagsausgaben. Die Verlage sind zufrieden, denn der Service der Cinemarketing spart Geld und Arbeit. Die Abnehmer müssen pro Lieferung nur eine gewisse Aufwandsentschädigung zahlen. Die Kosten für das Filmprogramm tragen die Kinos. Ein Eintrag auf dem Plakat kostet 120 Mark, von denen ein Teil die Verleiher übernehmen. Ein Platz im Zeitungsprogramm ist günstiger: 10 Mark in der Woche. Mitglieder des Wirtschaftsverbandes und kleine Kinos mit weniger Aufführungen bekommen Rabatt.

Bisher ist Berlin die einzige Großstadt in Deutschland, in der das Kinoprogramm zentral erstellt wird, und Cinemarketing der einzige Anbieter dieser Art. Doch das Beispiel macht Schule: Die Münchener Kinobetreiber verhandeln zur Zeit mit Bittmanns Firma. Sie würden sich ihr Programm gerne in Berlin machen lassen. Eigentlich kein Problem, meint Manfred Bittmann, da das Kinoprogramm der beiden Städte eh zu 98 Prozent gleich sei. Nur ob die Kapazitäten der Cinemarketing reichen, weiß er noch nicht. Die Firma ist in den Büros des Wirtschaftsverbandes untergebracht und beschäftigt außer dem Geschäftsführer nur fünf Teilzeitkräfte.

Möglicherweise wird die Cinemarketing sich also in der bayerischen Landeshauptstadt auf Entwicklungshilfe beschränken. Ob das der Münchener Kulturszene zum Vorteil gereichen wird, steht in Frage. Denn die Ordnung des Herrn Bittmann bringt nicht nur Segen mit sich. Die Cinemarketing besitzt eine Monopolstellung in Berlin. Konkret heißt das: Wer keinen Vertrag mit der Cinemarketing abschließt, wird in den meisten Zeitungen nicht mehr gedruckt. Bittmanns Firma liefert fertige Vorlagen, und die meisten Programmredaktionen machen sich nicht die Mühe, die Listen um die fehlenden Kinos zu ergänzen.

Als die taz es wagte, die Filme des Berliner Kinomuseums, des Lichtblick-Kinos und das Kellerkino in das Cinemarketing-Programm einzufügen, protestierte Bittmann: „Darunter waren Kinos, die bestimmte gesetzliche Vorschriften nicht einhalten – zum Beispiel Filme zeigen, für die sie gar keine Rechte haben. Wenn die in meinem Programm auftauchen, müßte ich als Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes davon Kenntnis nehmen und eingreifen.“ Eigentlich wollte er also nur das Beste, als er der taz untersagte, die Abtrünnigen einzugliedern, die seitdem unter der Rubrik „Sonstige Kinos“ abgelegt werden.

Der 36jährige Geschäftsführer macht sich ganz nebenbei zum selbsternannten Vollstrecker des Filmförderungsgesetzes – auch über seine Verträge. Denn dort findet sich die Klausel, daß nur den Kinos die Zusammenarbeit angeboten werden kann, die über eine „Meldung“ bei der Filmförderungsanstalt (FFA) verfügen. Der Justitiar der FFA, Volker Otte, wundert sich: „Es gibt eine Abgabepflicht für Kinos, die mehr als 100.000 Mark Umsatz im Jahr haben. Diese Filmtheater müssen sich tatsächlich bei uns melden und eine prozentuale Abgabe auf ihren Umsatz zahlen. Wer unter dem Betrag liegt, muß weder zahlen noch sich bei der FFA melden.“

Das paßt nicht in die Ordnungsvorstellungen von Manfred Bittmann. Infolgedessen nimmt er sich die Freiheit, die Gesetze umzuinterpretieren und auf dem Vertragsweg eine Meldepflicht durchzusetzen. Dem Vorwurf, seine Firma betreibe gemeinsam mit dem Wirtschaftsverband eine Disziplinierung der alternativen Kinoszene, kontert Bittmann gelassen: „Wem das nicht paßt, der kann uns ja verklagen.“

Noch geht es der Cinemarketing und ihrem Geschäftsführer nicht nur um Geld. Die GmbH muß nach Vorgaben des Wirtschaftsverbandes kostendeckend arbeiten und darf keine größeren Gewinnspannen anstreben, da die meisten der rund 90 Berliner Kinos Mitglied im Verband sind. Sie sollen nicht geschröpft werden, sondern vom zentral erstellten Filmprogramm profitieren. Doch die Cinemarketing und damit der Wirtschaftsverband der Berliner Filmtheater verschaffen sich mit ihren nur auf den ersten Blick freundlichen Serviceleistungen ganz systematisch eine Monopol- und Machtstellung auf dem Programmsektor. Der erste Schritt hinaus über die Sparte Film ist bereits getan: Manfred Bittmann und seine Mitarbeiter erstellen seit längerem den gesamten Kulturkalender in „Berlin Online“, dem Internet-Angebot der Berliner Zeitung. Die Cinemarketing ist auf dem besten Weg, zum kommerziellen Designer des Berliner Kulturprogramms zu werden. Kolja Mensing