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Barzel-Kritiker scheuen Debatte

■ Am Wochenende hätte eine internationale Debatte über die Zukunft des Jüdischen Museums stattfinden sollen. Vier Tage vorher wurde sie plötzlich abgesagt

Am Wochenende hätte im Berliner Wissenschaftskolleg eine ganztägige Diskussion über „A New Jewish Museum in Berlin: Purpuse, Concept, Realisation“ stattfinden sollen. Dazu eingeladen hatte der Permanent-Fellow Jehuda Elkana, ein Professor aus Israel, der die seit Monaten andauernden Auseinandersetzungen über das, was das sogenannte „integrative Konzept“ wirklich bedeutet, mit dieser Gesprächsrunde versachlichen wollte.

Vorgestern nun, vier Tage vor Beginn der mit Spannung erwarteten nicht-öffentlichen Debatte, hat Jehuda Elkana die Tagung abgesagt. Er hatte sie gecancelt, nachdem mehrere wichtige Gesprächspartner ihre Teilnahme verweigert hatten. „Meine Absicht, einen echten Dialog über die Zukunft des Museums zu initiieren, ist damit gescheitert“, sagte Elkana.

Am bedauerlichsten findet er, daß ausgerechnet die Vertreter der Berliner Kulturbürokratie sich der Debatte geschlossen entzogen. Abgesagt haben – und zwar wie Elkana bestätigte, alle am vergangenen Mittwoch und in getrennten Briefen – der Kultursenator Peter Radunski, der Architekt des Erweiterungsbaus des Berlin Museums, Daniel Libeskind, und der Chef der Stiftung Stadtmuseum, Reiner Güntzer.

Ebenfalls abgesagt hat der frühere Vorsitzende der „Gesellschaft für ein Jüdisches Museum“, Bernhard Schneider. All diese Personen fechten gegen eine Selbständigkeit des Jüdischen Museums und zwar unter dem Stichwort „integratives Konzept“. Integrativ, so ihre Definition, bedeute, daß das Jüdische Museum sowohl organisatorisch als auch sammlungs- orientiert eine Unterabteilung des Berlin-Museums bleibt. Gegen dieses Konzept steht laut und leidenschaftlich der Leiter des Jüdischen Museums in Vorbereitung, der Museumsfachmann Amnon Barzel. Ihn will man deshalb seit Monaten loswerden, weshalb der ganze Konflikt so aussieht, als ob es nur um eine, wenn auch peinliche Personalentscheidung geht, anstatt über die divergierenden Konzeptionen. (Die taz berichtete mehrmals.)

Laut Elkana hat Libeskind, der seine Teilnahme erst zusagte, aus Krankheitsgründen abgesagt, Güntzer und Schneider, weil die Einladungen angeblich zu spät erfolgten. Die Selbstausladung des Kultursenators begründete dessen Pressesprecher mit einem angeblich „unausgewogenen Podium“. Die Gästeliste lasse vermuten, daß die Veranstaltung auf eine Solidaritätskundgebung mit Barzel herausgelaufen wäre. Dies halte man „in der jetzigen Situation für nicht besonders glücklich“.

Der Brief von Peter Radunski „war nicht gerade ein Brief, über den wir uns gefreut haben“, wiegelte dagegen Elkana gegenüber der taz das Gerücht ab, daß dieser Brief in einem provozierenden Ton gehalten sein soll. Die Unterstellung, daß die Tagung auf eine PR-Aktion für Barzel hinauslaufen sollte, ärgert ihn zutiefst. „Ich hatte nicht die Absicht, mich in die politische Debatte Berlins einzumischen.“ Ihm sei es einzig und allein um die inhaltliche Ausfüllung des unklaren Begriffs „integratives Konzept“ gegangen. Deshalb habe er vorwiegend nur Experten zur Diskussion geladen, die gründliche Praxiserfahrung haben. Die Teilnahme der Berliner Kulturpolitiker wäre wichtig gewesen, damit ein „echter Dialog“ in Gang kommt.

Zu der Tagung hatte Elkana Ende September 27 Museumsfachleute gebeten, darunter die Leiter der Jüdischen Museen in Wien, Washington, New York, Amsterdam sowie Professoren aus Stanford, Princeton, Cambridge. Außer Nobelpreisträger Elie Wiesel, der ebenfalls wegen Krankheit nicht kommen kann, hatten alle angeschriebenen Gäste bereits ihre Flugtickets in der Tasche und freuten sich auf die Debatte. Auch Julius Schoeps, Direktor des Jüdischen Museums in Wien, war gespannt. Er findet die Absage des Wissenschaftskollegs peinlich und kleinlich, „denn es besteht auch ohne die Berliner Kulturbürokratie Gesprächsbedarf“. Geradezu „lächerlich“, wenn nicht sogar „beleidigend“ empfindet er den Vorwurf aus dem Hause Radunski, daß Kolloqium sei „einseitig“ zusammengesetzt. Das Gegenteil sei richtig, er sei „unabhängig“ und „vielseitig“. Anita Kugler

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