Ostzaire steht vor dem Kollaps

■ Bisher sind Vermittlungsversuche der internationalen Gemeinschaft ohne Erfolg geblieben. Der Bürgerkrieg droht, zum zentralafrikanischen Regionalkrieg zu eskalieren, wenn nicht interveniert wird

Berlin (taz) – Fast eine Million Flüchtlinge können nicht mehr versorgt werden, weil sich der Bürgerkrieg im Osten von Zaire ausweitet. Ruanda und Zaire stehen kurz vor dem Krieg, Vorwürfe von gegenseitiger Destabilisierung sind zu ersten bewaffneten Auseinandersetzungen eskaliert. Die internationale Gemeinschaft sieht sich aber auch zwei Wochen nach Ausbruch der Krise nicht in der Lage, schnelle Maßnahmen zur Konfliktlösung zu ergreifen.

Der von UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali am Mittwoch ernannte Sondergesandte Raymond Chretien, ein Kanadier, der jahrelang Botschafter in Zaire, Ruanda und Burundi war, wird am 6. November in die Region reisen. Zunächst wolle er einen Waffenstillstand vermitteln, sagte er am Mittwoch. Ghali telefonierte diese Woche mit dem zairischen Präsidenten Mobutu Sese Seko, der sich nach einer Krebsoperation in der Schweiz aufhält. Über den Inhalt des Gesprächs wurde nichts bekannt. Mobutu hatte Anfang der Woche seine Landleute aufgestachelt, indem er zur Verteidigung Zaires mit allen Mitteln aufrief.

Die USA haben unterdessen erneut für die Aufstellung einer innerafrikanische Eingreiftruppe plädiert. Diese könnte jedoch nach Ansicht von Experten erst in vier Monaten einsatzbereit sein – würde also zu spät kommen. Eine militärische Intervention im Rahmen der UN haben die USA ausgeschlossen. Die fehlgeschlagene Intervention in Somalia und vor allem die bevorstehenden US-Wahlen machen eine Meinungsänderung unwahrscheinlich.

Auch Frankreich hat Gerüchte zurückgewiesen, es könnte wie 1994 in Ruanda intervenieren. Damals hatte Frankreich, mit UN- Mandat, eine Schutzzone für die ruandischen Kriegsflüchtlinge eingerichtet, die vor der vorrückenden Tutsiarmee flohen. Mit der „Opération Turquoise“ hatte Frankreich jedoch nicht nur Zivilisten, sondern auch der fliehenden ruandischen Armee und den Hutu-Milizen, die für den ruandischen Völkermord verantwortlich waren, Feuerschutz gegeben.

Für die Europäische Union reiste der Sondergesandte Aldo Ayelleo am Mittwoch von Ruanda nach Zaire. Er versucht, die Regierungen der Region für eine Regionalkonferenz zu gewinnen. Doch alle diese Schritte haben bisher nicht gegriffen. Der Bürgerkrieg in Zaire hat sich von der Region Südkivu auf die Provinz Nordkivu ausgeweitet, die diplomatischen Gefechte sind zu offenen Kämpfen eskaliert. Möglich wurden sie unter anderem, weil die internationale Gemeinschaft am Status quo der Flüchtlingslager nichts änderte, die die Basis für die Hutu-Milizen waren. Daß die von über einer Million Menschen bewohnten Lager an den Grenzen zu Ruanda ein potentieller Brandherd waren, wußten alle Beteiligten. Die Lage belegt auch, daß die These, Mobutu Sese Seko sei ein Stabilitätsfaktor gewesen, falsch war. Er selbst hat den innerzairischen Konflikt zu verantworten. Um einen Krieg zu verhindern, der nicht nur Ruanda und Zaire, sondern auch Burundi, Uganda und Tansania einbeziehen könnte, wird der Sicherheitsrat wohl in den nächsten Tagen über eine Intervention nachdenken müssen. ds