Schadstoffarm darf billiger sein

EU verzichtet auf Klage gegen deutsche Förderung abgasarmer Autos. Die sollen pro Jahr bis zu 250 Mark weniger an Steuern kosten. Kommissar Bangemann hatte Probleme gesehen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die EU-Kommission will nun doch nicht gegen die von Bonn geplante steuerliche Begünstigung schadstoffarmer Autos vorgehen. Auf ihrer wöchentlichen Sitzung in Brüssel einigten sich die 20 Kommissare gestern darauf, ihre marktwirtschaftlichen Bedenken zurückzustellen und auf eine Klage wegen Wettbewerbsverzerrung zu verzichten. „Wir werden die Deutschen aber in einem Brief darauf hinweisen“, sagte ein Kommissionssprecher, „daß es rechtliche Verwicklungen geben könnte.“ Er spielte damit auf die Möglichkeit an, daß Autohersteller aus anderen EU-Ländern vor einem deutschen Gericht klagen könnten.

Die ganze Diskussion war vor einigen Monaten ausgerechnet vom deutschen EU-Kommissar Martin Bangemann vom Zaun gebrochen worden. Bangemann war aufgefallen, daß die Regierung in Bonn ab dem 1. Januar 1997 steuerliche Anreize für Autos geben will, die weniger Dreck in die Luft blasen, als die EU-Kommission erlaubt. Bis zu 250 Mark können deutsche Autofahrer ab 1997 an Steuern sparen, wenn sie einen Wagen fahren, der mindestens 40 Prozent weniger Abgase ausstößt als nach der derzeit gültigen „Euro-2-Norm“ vorgesehen. Weil sich die deutsche Autoindustrie sehr schnell darauf einstellen wird, fürchtet Bangemann, könnten ausländische Hersteller Schwierigkeiten haben, in Deutschland Neuwagen zu verkaufen. Das verstoße gegen die Binnenmarktordnung, nach der steuerliche Anreize nur gewährt werden dürfen, wenn sie sich auf Abgaswerte beziehen, für die es eine EU-Richtlinie gibt.

Rein juristisch bewegt sich die Bundesrepublik mit der vorgesehenen Steuerermäßigung tatsächlich auf dünnem Eis. Doch auch in der Kommission setzte sich die Einsicht durch, daß es in der Öffentlichkeit keinen guten Eindruck machen würde, wenn Brüssel die Deutschen zu einer lascheren Umweltpolitik verdonnern würde.

Eine Klage der EU-Kommission wäre schon deshalb ziemlich absurd gewesen, als die EU-Umweltminister 1994 beschlossen haben, die Abgaswerte Schritt für Schritt zu verbessern. Nach der derzeit gültigen „Euro-2-Norm“ müßte seit 18 Monaten die schärfere „Euro-3-Norm“ auf dem Tisch liegen. Sie soll bis zum Jahr 2000 den zulässigen Abgasausstoß um 40 Prozent senken.

Die EU-Kommission will sich nun besonders anstrengen und den Vorschlag so schnell wie möglich vorlegen. Unter der Hand erlaubt sie den Deutschen, sich schon heute bei der steuerlichen Förderung sauberer Autos darauf zu beziehen. Im Gegenzug mußte die Bundesregierung versprechen, keine Anreize für noch sauberere Motoren zu schaffen.