Letzte Zuflucht für „Prügelfrauen“

Die ersten autonomen Frauenhäuser in Berlin und Köln feiern den 20. Geburtstag. Sozialer Streß führt zu mehr Andrang. Frauenhäuser verführen zum Glauben, das Gewaltproblem sei gelöst  ■ Von Ute Scheub

Heute vor 20 Jahren öffnete das bundesweit erste autonome Frauenhaus in Berlin seine Pforten. Nur wenige Tage später wurde das erste Frauenhaus in Köln seiner Nutzung anheimgegeben. Das sei das erste in der Bundesrepublik gewesen, „das ohne staatliche Unterstützung entstand“, verkündete später Gründerfrau Maria Mies stolz, mit Blick auf die damals finanzielle Hilfe des Bundesfamilienministeriums für das Berliner Projekt. Die ersten beiden Zufluchtshäuser für mißhandelte Frauen machten Schule: 1979 gab es bundesweit bereits 85 Häuser, inzwischen sind es rund 360.

Haben diese 20 Jahre Kampagne gegen Männergewalt greifbare Ergebnisse gebracht? Ist die gesellschaftliche Ächtung gegenüber innerfamiliärer Gewalt größer geworden? Nein, sagen Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser in Berlin und Köln. Ihre Bilanz ist ernüchternd: Während sich die Gewaltakte eher vermehrten, wurden die Rechte der mißhandelten Frauen und die finanzielle Absicherung der Projekte vermindert.

„Am Anfang dachten wir“, so Gitti Altenkirch vom ersten Berliner Frauenhaus, „indem wir die Gewalt öffentlich machen, könnten wir die Gesellschaft verändern. Heute sehen wir viele gesellschaftliche Rückschritte in der Stellung der Frau.“

Seit der Wende, so stellen zumindest die Berlinerinnen fest, sei der Andrang in ihr von Beginn an überlaufenes Frauenhaus noch größer geworden. „Der Mauerfall hat eine Vielfalt von Gewalt entstehen lassen.“ Ins Frauenhaus kommen türkische Frauen, die zu „Prügelfrauen“ für den sozialen Streß ihrer Männer wurden. Auch mißhandelte Frauen aus Osteuropa, die zur Prostitution gezwungen wurden, suchen hier Schutz.

In der Justiz, so beklagen die Berlinerinnen und Kölnerinnen übereinstimmend, hätten ihre jahrelangen Anti-Gewalt-Kampagnen so gut wie keine Spuren hinterlassen. Nach wie vor gebe es nur wenige Richter, die einer mißhandelten Frau die eheliche Wohnung zusprechen. Beim sogenannten Aufenthaltsbestimmungsrecht – dem Recht der Eltern, zu bestimmen, wo ihre Kinder leben – seien sogar Rückschritte zu verzeichnen: Seit Beginn der öffentlichen Diskussion über ein gemeinsames elterliches Sorgerecht verhielten sich die Jugendämter sehr väterfreundlich. Frauen werde immer öfters untersagt, ihre Kinder ins Frauenhaus mitzunehmen, wenn der Mißhandler, ihr Nochgatte, es nicht wolle. Einer dieser Väter habe es sogar fertiggebracht, einer Berliner Frauenhausbewohnerin „den Säugling vor dem Postamt aus dem Wagen zu reißen“.

Sind Frauenhäuser unfreiwilligerweise vielleicht sogar zum gesellschaftlichen Alibi geworden, zum Beweis dafür, daß man der Gewalt doch Herr werden könne, solange es genug Frauen gibt, die anderen Frauen die Wunden verbinden? „Ja“, sagt die Berlinerin Gitti Altenkirch, „wir werden funktionalisiert. Es ist ungeheuer schwer, die Verantwortung von den Frauenhäusern wegzuschieben.“ „Ja“, sagt auch Ulrike Liebau, Mitarbeiterin des zweiten Kölner Frauenhauses, „das ist der Widerspruch, in dem die Frauenhäuser leben. Aber wir können die Häuser ja nicht schließen, der Bedarf ist riesig. Wir können nur mit Öffentlichkeitsarbeit gegen solche Tendenzen anzugehen versuchen.“ Diese Öffentlichkeitsarbeit ist aber nicht immer die glücklichste. Vor 20 Jahren war es für die Frauenhäuser das Geheimnis ihres Erfolges, daß sich die Mitarbeiterinnen in geradezu absoluter Weise auf die Seite der Opfer stellten. Heute aber, im Lichte neuer Forschungen über die komplizierten Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Opfern und Tätern, schrecken die alten Schemata von den bösen Männern und den guten Frauen auch Wohlmeinende ab.

Wer soviel Dreck und Gewalt sehe wie die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser, dem oder der dürfe man solch ein Feindbild vielleicht nicht persönlich vorwerfen, sagen einige Feministinnen. Aber die strikte Verweigerung der Frauenhäuser gegenüber neuen, in US- Kommunen zum Teil sehr erfolgreichen täterorientierten Ansätzen, sei auf Dauer kontraproduktiv. Wer daran festhalte, die Männer seien nicht reformierbar, der spiele die Frauen den Männern immer wieder als Opfer zu.