Kein Western im Tipi

Das Museum für Völkerkunde illustriert das Leben der nordamerikanischen Indianer  ■ Von Ilka Fröse

Der Wind pfeift stetig von Westen, trägt Salbeiduft über das Steppengras, das die Prärie bedeckt. In der Ferne zieht eine Bisonherde vorüber, friedlich schaut ein Kalb neben seiner grasenden Mutter den Betrachter an. Die Ausstellung Indianer der Plains und Prärien, mit der das Museum für Völkerkunde ein indianisches Jahr einläutet, versetzt die Besucher gleich nach dem Eintreten in die Heimat der meisten amerikanischen Ureinwohner. Und weg von Western- und Karl-May-Klischees. Damit werden die traditionelle Kultur und der heutige Alltag der nordamerikanischen Ureinwohner authentisch dargestellt.

Der nächste Saal zeigt Gegenstände aus dem Leben der Indianer vor der Begegnung mit den Europäern. Dazu gehört eine Begräbnisstätte, aber auch „die Mona Lisa unter den Büffelhäuten“, die etwa 1832 vom Volk der Mandan bemalt und bestickt wurde. Die Männer trugen solche Häute als Mantel – bei trockenem Wetter mit dem Fell nach innen, bei Regen mit den Haaren nach außen. Und Indianerbabies waren dank Bisonhornpuder niemals wund.

Kleidung und Schmuck, Waffen und Heilungs- und Reinigungsutensilien lassen die indianische Kultur aufleben. Es sind Originale, zusammengestellt aus den bedeutendsten Sammlungen Europas. Von Europäern, denn den Nachfahren der Ureinwohner ist es verboten, sie zu berühren.

So inspizierte und identifizierte der indianische Berater Buster Yellow Kidney vom Volk der Blackfeet alle Stücke, faßte aber keines an. Er stellte sicher, daß alle Gegenstände Geschenke sind, das Museum also auch aus indianischer Sicht rechtmäßiger Besitzer und Hüter ist. So sollen die Geister der Ausstellung wohlgesonnen sein. Hinter der nächsten Ecke erinnern eine Bisontrophäe und Büffelflinten an die Ausrottung der Bisonherden durch die weißen Siedler, die den Ureinwohnern die Lebensgrundlage entzogen. Das Ende der Freiheit – Reservationen. Mit dem Bild vom armen, dem Feuerwasser verfallenen roten Mann wird durch Informationen über die heutige Lebenswirklichkeit aufgeräumt. Schulbücher, wie „Basic Dakota, Lakota and Nakota“ liegen aus, Plakate mit den politischen Forderungen einiger Völker kleben am Zaun vor einer Blockhütte.

Ein Medizinmann aus Montana, mit indianischem Namen Neena (Mann), sprach bei seinem Besuch in Hamburg ein Gebet für die Besucherinnen und Besucher: „Estapadpio, espumos matapio aakuutuu makitsinis muaputst...“ – Schöpfer, ich bitte Dich, diesen Leuten zu helfen,...daß sie verstehen, was sie gesehen haben. „Ojistapimmokinnan nitstapio“ – Und dadurch können sie uns Indianer verstehen.

Noch bis zum 31. August 1997