Bescheidenheit ist keine Zier

Die Hamburger Tagung „Berufsziel Professorin“ zeigte Hemmnisse bei der Hochschulkarriere auf – auch die selbstgemachten  ■ Von Stefanie Winter

Beim Bewerbungsgespräch für ein Stipendium nach ihrem Berufsziel gefragt, nennt Karin Donhauser in aller Bescheidenheit „Gymnasiallehrerin“. Sie studiert in Regensburg Deutsch, Sozialkunde und Geschichte, entdeckt ihr zusätzliches Interesse für allgemeine Sprachwissenschaften, legt nach sechsjährigem Studium gleichzeitig das Staats- und das Magisterexamen ab, promoviert und habilitiert sich. Seit drei Jahren ist die 40jährige Professorin für Sprachgeschichte an der Berliner Humboldt-Universität. Auf die Frage, wie sie es geschafft hat, antwortet sie in aller Bescheidenheit: „Ich weiß es nicht.“

Zu der Tagung „Berufsziel Professorin“ hatten das Senatsamt für die Gleichstellung und die Hans-Böckler-Stiftung in dieser Woche Hamburger Studentinnen eingeladen. Der Teilnehmerinnenkreis war auf Stipendiatinnen begrenzt. Sie seien als begabt und engagiert erkannt. Und vor allem befänden sie sich bereits in einem „fördernden Netzwerk“ – eine besonders wichtige Voraussetzung für die Hochschulkarriere. Ihre Förderung scheinen die Studentinnen jedoch nicht vehement genug einzufordern: Während die Hälfte der Studierenden weiblich ist, sinkt der Frauenanteil bei den Promotionen auf 30 Prozent, von denen nur noch jede Dritte habilitiert. Und lediglich vier Prozent der C4-Professuren sind mit Frauen besetzt.

Über den Weg zur Professorin und zahlreiche Stolpersteine auf der langen Strecke wollte die Tagung informieren, Ratschläge geben und Strategien aufzeigen. Und zeigte vor allem, daß Bescheidenheit zwar keine hilfreiche Zier, aber selbst unter den Frauen, die „es“ geschafft haben, verbreitet ist. „Es hat sich gefügt“, faßt auch Marion Panitzsch-Wiebe ihren Weg zur Professorin an der Hamburger Fachhochschule für Sozialpädagogik zusammen. Anders als Donhauser, die ein Leben ohne Kinder als ihren Preis für die Karriere sieht, hat die 46jährige zwei Kinder – und eine Ausbildung als Erzieherin. Ihre Eltern hatten die damals mathematikbegeisterte 16jährige dazu gedrängt – weil sie die Geburtstage ihrer kleinen Schwester immer so nett ausrichtete. Ihre eigenen Kinder und ihre wissenschaftlichen Weihen bekam sie im steten Wechsel. Ihr Mann arbeitet halbtags.

Die Sorge um eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf trugen selbst einige Tagungsbesucherinnen unter 25 Jahren vernehmlich mit sich herum und als möglichen Stolperstein vor sich her. Diese Möglichkeit nämlich hatten sie vom Lehrberuf an der Hochschule erhofft. Und tatsächlich, erklärt Ellen Schulz, biete der Beruf ein in hohem Maß selbstbestimmtes Arbeiten. Der Weg dorthin aber sei ungewiß und unabgesichert, räumt die emeritierte Professorin ein. Neben Examen, Promotion und Habilitation – möglichst mit Prädikat – müsse kontinuierlich veröffentlicht werden; am besten fange frau mit der Examensarbeit bereits an. Die Bewerberinnen um eine Professur müßten Projekterfahrung mitbringen und Erfahrungen in der akademischen Lehre. Besonders wichtig – um Insiderwissen zu sammeln – sei die Mitwirkung in den Gremien der studentischen Selbstverwaltung.

Trotz aller, auch finanzieller Schwierigkeiten lohne sich der Weg. Um die karrierehemmenden (Selbst-)Zuschreibungen abzuschwächen, brauche es allerdings weibliche Vorbilder – von denen es derzeit eben wenige gibt. Doch mit dem Generationenwechsel, der an den Hamburger Hochschulen demnächst anstehe, erhöhten sich die Chancen, auch den Frauenanteil bei den Professuren zu verändern, meint Senatorin Christina Weiss. Falls diese Stellen nicht gestrichen werden.