Flirt mit dem Teufel

■ Goetheplatz: „Türkisches Theater Hamburg“ verzückt die sieben Sinne

Manchmal geschehen kleine Wunder fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Nur etwa ein Drittel der Stühle im Theater am Goetheplatz war am Mittwoch abend zur Premiere des diesjährigen Kinderstückes „Der Teufel Bekkanko“ besetzt. Doch die von einer kindlichen Busbesatzung aus dem Kreis Cuxhaven zählbar verstärkten Anwesenden wurden für ihr Kommen reichlich belohnt.

Die SpielplanerInnen am Goetheplatz haben in diesem Jahr schon zum dritten Mal das „Türkische Theater Hamburg“ verpflichtet. Mit „Der Teufel Bekkanko“ ist das multinational besetzte Ensemble unter der Regie von Irmgard Paulis zum exotischen Märchen zurückgekehrt und hat zugleich einen großen Sprung in Sachen Welttheater vollzogen.

Eine bewegliche Rampe und dazu ein Arrangement aus Wellpappen-Pallisaden, aus wechselnden Lichtfarben und Schattenspielen sind das Material, aus dem Bühnenbildner Reinhard Dietmann eine Gebirgslandschaft auf die Bühne zaubert. Im „Teufel Bekkanko“ ist von Hölle keine Spur, statt dessen muß das Paradies oder wenigstens der Märchenwald Illyriens gleich um die Ecke liegen. Denn im Gegensatz zum Dualismus Gott und Teufel der westlichen Hemisphäre weiß man in Japan, dem Land, aus dem Asaya Fujita und ihre Sage von „Bekkanko“ stammen, daß es nicht so leicht ist, zwischen Gut und Böse zu scheiden.

Da ist Yuki (Neza Selbuz), das blinde Mädchen aus dem Dorf, das vor den Hänseleien ihrer Mitkinder Schutz sucht am Grab ihrer Mutter, hoch oben auf dem Friedhof am Hang des Flötenspielerberges. Und da ist der Teufel Bekkanko (Matthias Klimsa), der - buntgescheckt und mit standesgemäßen Hörnern auf der Stirn - plötzlich auftaucht und Yuki ins Gebirge entführt. Doch bald entpuppt sich der vermeintlich üble Bursche als Zwillingsbruder Pucks aus dem „Sommernachtstraum“ und ist mehr Kobold als Teufel und vor allem die Liebenswürdigkeit in Person. Schon deshalb merkt Beckanko, daß er Yuki nicht zum Bleiben zwingen kann. Doch vom Zwang befreit, merkt Yuki, daß sie bleiben will. Und so steht dem Happy end nichts mehr im Weg außer Yukis Vater (Ünal Gümüs), der durch das Gebirge streift, den Teufel zu töten.

Was die sogenannte Weltmusik in der Tonkunst versucht, macht das „Türkische Theater Hamburg“ auf der Schauspielbühne. Ein Musikertrio auf der Bühne serviert auf dem Instrumentarium Anatoliens einen Cocktail aus asiatischem Zwölftonmelodium und internationaler Percussion. Der griechischen Tragödie entlehnt ist das Schauspielerquintett, das als Chor das Bühnenbild modelliert und bald kommentierend, bald eingreifend durch die Handlung führt. Aus dem Repertoire grenzenloser Darstellerkunst stammt hingegen Neza Selbuz Können, als Yuki selbst im Halbdunkel des fließenden Bühnenumbaus die Blinde zu spielen. Aus derselben Quelle schöpft Matthias Simsa, dessen Bekkanko nicht selten an Max Hopps Puck im Bremer „Sommernachtstraum“ erinnert.

Diese Melange aus Bildern, Klängen und Schauspiel verdichtet sich zu einer Zwischenwelt aus Poesie und theatraler Magie. Mal berüht, mal belustigt und immer gespannt folgt das kindliche oder Kind gebliebene Publikum zwischen sechs und 96 dem Geschehen und spürt, wie sich das kleine Bühnenwunder formt, das so grundverschieden ist von der Einheitsware des Kinderfernsehens.

Christoph Köster

Weitere Aufführungen am 8., 12. und 18.11. um 11 Uhr sowie am 12.11. um 18 Uhr und am 20.11. um 19 Uhr