In einer faszinierenden Position

Mit dem Spiel der Toronto Raptors gegen die New York Knicks in historischer Kluft feierte die Basketball-Liga NBA ihren 50. Geburtstag und startete gleichzeitig in die neue Saison  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Manch einer wird sich wundern, warum die NBA zum Saisonstart am gestrigen Abend ihr 50jähriges Jubliäum ausgerechnet in Toronto feierte. Schließlich sind die Raptors, das Team aus der kanadischen Stadt, erst seit einem Jahr Mitglied der illustren Gesellschaft, und es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis sie ein ernsthaftes Wort mitreden können. Doch die Wahl des Schauplatzes für die große Party ist historisch korrekt: Am 11. November 1946 trafen hier die Toronto Huskies auf die New York Knicks, das erste Match einer Liga, die sich inzwischen zur perfekten Symbiose von Sport und Show mit globaler Ausstrahlung und Rentabilität entwickelt hat.

NBA-Commissioner David Stern wird nicht müde, seine Erfolgszahlen herunterzubeten: 21 Millionen Zuschauer werden in der Saison 96/97 die Arenen der 29 Klubs füllen, 1,7 Milliarden Mark betragen die Fernseheinnahmen, sechs Milliarden Mark kommen durch Merchandising in die Kassen, die Gehälter der Stars schießen in die Höhe. Den dicksten Happen holte sich Michael Jordan mit 25 Millionen Dollar für ein Jahr, den höchsten Vertrag schloß Shaquille O'Neal bei den Los Angeles Lakers ab: 120 Millionen Dollar für sieben Jahre. „Irgendwann bricht alles zusammmen, und die Liga ist pleite“, orakelt Kareem Abdul-Jabbar, David Stern kann diese Befürchtung wie die meisten Klubbesitzer nicht teilen. Die hohen Gehälter seien nur ein Beweis, wie gut der Laden läuft. Stern: „Wir sind in einer faszinierenden Position.“

Abdul-Jabbar gehört zu den „50 Größten“, die anläßlich des Jubiläums am Rande des Spiels der Raptors gegen die Knicks geehrt wurden. Darunter sind Ballkünstler früherer Zeiten wie Wilt Chamberlain, Julius Erving, Elgin Baylor, George Mikan, Oscar Robertson oder Bill Russell, die sich wohl allesamt wünschen, ein paar Jährchen oder Jahrzehnte später geboren zu sein, jüngere Legenden wie Magic Johnson und Larry Bird, aber auch einige Spieler, die noch aktiv sind und sich in der nächsten Saison endlich den Traum vom Titel erfüllen wollen.

Allen voran Patrick Ewing und Charles Barkley, beide 33 Jahre alt, deren Karrieren sich dem Ende zuneigen und die immer noch keinen Meisterschaftsring am Finger tragen. „Ich will endlich an der Reihe sein“, sagt Ewing, der maßgeblich an jener Umstrukturierung beteiligt war, die die New York Knicks, bisher ein relativ altes Team, das vor allem auf brutale Defensive setzte, zum ernsthaften Titelaspiranten machen soll. Höchstpersönlich überredete Ewing den zielsicheren Allan Houston, aus Detroit nach Manhattan zu kommen, aus Charlotte wurde der vielseitige Larry Johnson geholt, als Point Guard kam Chris Childs aus New Jersey, und beim Draft der Collegespieler hatten die Knicks unverschämten Dusel, als ihnen der hochtalentierte John Wallace von Syracuse praktisch in den Schoß fiel, obwohl sie erst an 18. Stelle wählen durften. „Endlich haben sie mich mit Spielern von All-Star-Kaliber umgeben“, freut sich Ewing.

Nach dem Wechsel von Shaq zu den Lakers wird die Eastern Conference weit schwächer eingeschätzt als der Westen. Dennoch sind neben den Chicago Bulls, die ihr Erfolgsteam lediglich um den 43jährigen Robert Parish, ebenfalls einer der 50 Größten, ergänzt haben, auch Mannschaften wie Indiana, Atlanta, Orlando (selbst ohne Shaq) oder Washington nicht zu unterschätzen. Die Bullets haben sich mit Rod Strickland einen schwierigen, aber fähigen Spielmacher aus Portland geholt und vertrauen darauf, daß ihre „Fab Two“ Chris Webber und Juwan Howard endlich eine Saison verletzungsfrei durchspielen können.

Im Westen hoffen die kaum veränderten Seattle SuperSonics, die sich den Bulls im Finale der vergangenen Saison erst nach hartem Kampf beugten, daß sie ihre dominierende Stellung halten können, obwohl vor allem Houston und die Lakers mächtig investiert haben, um ganz nach oben zu kommen. L.A. hat zwar keinen Magic mehr, dafür aber Glamour und Jugend. Shaquille O'Neal ist der einzige Basketballstar, nach dem sich sogar die Leute in den Prominentenrestaurants von Beverly Hills umdrehen, und dem 18jährigen Kobe Bryant wird eine große Zukunft prophezeit. Den entgegengesetzten Weg gingen die Houston Rockets, von deren Meisterschaftsteam 1994 nur noch Hakeem Olajuwon (33) und Mario Elie (32) übrig sind. „Unsere Zukunft ist jetzt“, sagt Olajuwon zur Verpflichtung von Charles Barkley, der zusammen mit Clyde Drexler (34) und Kevin Willis (34) die älteste Stammformation der NBA bildet. Nicht nur Seattle baut darauf, daß die Senioren irgendwann müde werden und sie mit der durch den Barkley-Transfer geschwächten Bank – Robert Horry, Sam Cassell, Mark Bryant und Chucky Brown mußten nach Phoenix – leichtes Spiel haben.

Geheimtips im Westen: die Dallas Mavericks, die ihrem exquisiten Trio Jason Kidd, Jimmy Jackson, Jamal Mashburn den erfahrenen Derek Harper und Center Eric Montross hinzufügten, sowie die Portland TrailBlazers, die Kenny Anderson und den Jugoslawen Sasa Djordjevic als Spielmacher holten, weiter auf Arvidas Sabonis sowie den allerdings unzufriedenen Cliff Robinson bauen und das Risiko eingingen, den von Dennis- Rodman-Anwandlungen heimgesuchten Isiah Rider zu verpflichten. Ansonsten ist alles offen. Wie sagt doch Gary Payton von den Sonics: „Meister können auch die L.A. Clippers werden.“