Geld stinkt nicht

■ Wie umweltbelastend ist ein Kredit? Analog zum betrieblichen "Öko-Audit" plant die EU Richtlinien für den Dienstleistungssektor. Banken sind skeptisch

„Die Finanzierung von Unternehmen oder Projekten“ durch eine Bank könne schlimmere ökologische Folgen haben „als die direkte Beeinflussung der Umwelt aufgrund von Energie- und Ressourcenverbrauch durch die Bank selbst“. Diese Erkenntnis formuliert und veröffentlicht nicht etwa das Öko-Institut oder Greenpeace, sondern die Bayerische Landesbank in ihrem kürzlich erschienenen „Umweltbericht 1995“.

Das Öko-Bewußtsein im Geldgewerbe scheint besser zu sein, als man annehmen mag. „Die Banken“, attestiert Sabine Braun, Vorstandsmitglied der „Umweltinitiative von Unternehme(r)n – future e.V.“, seien „in diesem Bereich sehr aktiv“.

So ist es mittlerweile weit verbreitete Praxis, daß die Banker bei einer Prüfung hinsichtlich der Kreditwürdigkeit eines gewerbetreibenden Kunden auch die ökologischen Kriterien seines Betriebes unter die Lupe nehmen. Grund hierfür sind freilich vor allem die in den letzten Jahren verschärften Umweltschutzbestimmungen und in deren Konsequenz nüchterne ökonomische Erwägungen.

Paradebeispiel Altlastensanierungen: ein verseuchtes Firmengrundstück taugt nur bedingt als Sicherheit. Doch auch bei der Begutachtung von Emissionen oder des Rohstoffverbrauchs sind die Kreditoren bisweilen sehr pingelig, denn die daraus resultierenden Aufwendungen spielen eine gewichtige Rolle in ihren Wirtschaftlichkeitsberechnungen.

Nur logisch also, daß gerade kleine und mittelständische Betriebe, denen die Auflagen ihrer Financiers mitunter schwer zu schaffen machen, ihrerseits von den Banken eine Offenlegung von deren Öko- Bilanzen erwarten. Als erstes Institut veröffentlichte schon 1993 die Landesgirokasse Stuttgart einen Umweltbericht. Die erste Landesbank, die diesem Beispiel folgte, war die Bayerische, die 1994 ihre „1. Ökobilanz“ vorlegte. In kurzer Folge schließlich zogen die Berliner Bank und die Südwest-LB nach.

Inzwischen gehört ein Öko-Report beinahe schon zum guten Ton. Im Vordergrund stand dabei zunächst die reine Begutachtung der innerbetrieblichen Abläufe. „Wir waren selbst erstaunt darüber“, erinnert sich der für den Umweltbericht der Bayerischen Landesbank zuständige Hubert Bauer, „daß wir zum Beispiel beim Energieverbrauch mit manchem Produktionsbetrieb durchaus vergleichbar sind.“ Vor allem bei der Klimatisierung ihrer Büroräume entdeckte die Bank enorme Einsparpotentiale, während der zweite große Energiefresser – die EDV-Anlagen – sich nur schwer bändigen läßt, weil die Zahl der Computer beständig zunimmt.

Mit derlei „Betriebsökologie“ hat auch der „Verein für Umweltmanagement in Banken, Sparkassen und Versicherungen“ (VfU) vor nunmehr vier Jahren seine Arbeit begonnen. Gegründet wurde der VfU von der Bonner Unternehmensberaterin Gabriele Urban, Mitglied können Unternehmen der Branche werden. Schwerpunkt der Vereinsarbeit ist derzeit das Thema „Umweltmanagement“: Der VfU wirkt maßgeblich bei der Ausarbeitung eines deutschen Entwurfs für die geplante Erweiterung der EU-Richtlinien zum Öko-Audit mit. „Noch in diesem Jahr“, so hofft Vereinsgründerin Urban, „soll der Entwurf vorliegen“.

Mit dem Audit-Verfahren, das bisher nur auf Produktionsbetriebe zugeschnitten war, soll nun auch für den Dienstleistungssektor ein europaweiter Standard zur Erstellung von Umweltbilanzen geschaffen werden. Gerade in der Finanzwirtschaft kein leichtes Unterfangen, denn zum einen lassen sich beispielsweise bei einer Großbank mit Hunderten von Filialen unmöglich alle Standorte des Unternehmens unter die Lupe nehmen, zum anderen ist Diskretion oberstes Gebot im Metier, die von der Audit-Verordnung geforderte „Zertifizierung“ durch einen unabhängigen Gutachter also ein heikles Thema: „Man kann“, bringt Gabriele Urban das Problem auf den Punkt, „einen Gutachter nicht in eine Kreditakte gucken lassen.“ Muß man aber wohl auch gar nicht: Das Öko-Audit beschränkt sich bislang und aller Voraussicht nach auch künftig allein auf die innerbetrieblichen Abläufe. „Sie können auch ABC- Waffen herstellen“, verdeutlicht Sabine Braun von „future“ das Problem. „Wenn Sie das nur umweltverträglich tun, bekommen Sie auch Ihr Zertifikat.“

Für die von der Bayerischen Landesbank in ihrem Umweltbericht aufgeworfene Fragestellung bedeutet das wohl: Man darf ruhig ein Atomkraftwerk finanzieren. Hauptsache, der Kreditvertrag wird auf Recycling-Papier gedruckt. Jochen Siemer