■ In Zaire geraten immer mehr Menschen in Panik. Auch die Versorgung der Lager bricht zusammen
: Flucht ohne Ziel

In Zaire geraten immer mehr Menschen in Panik. Auch die Versorgung der Lager bricht zusammen

Flucht ohne Ziel

Das Ausharren ist nicht einfach: „Die Sicherheitslage wird immer schlimmer, wir, die internationalen Helfer, sind alle auf dem UN- Wohngelände versammelt, das Arilleriefeuer kommt immer näher, es ist die ganze Zeit zu hören. Wir sind allerdings im Moment sicher.“ So beschreibt Siegfried Soler vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) am Freitag mittag die Lage im umkämpften Goma, der Hauptstadt der ostzairischen Provinz Nodkivu.

Zairische Tutsi-Rebellen haben vorgestern, offenbar mit ruandischer Unterstützung, den Flughafen von Goma eingenommen. Gekämpft – und geplündert – wird inzwischen jetzt auch in Goma. Zum einen wird berichtet, daß die zairischen Soldaten vor den Angriffen der Rebellen fliehen, zum anderen sollen junge Zairer, die erst vor wenigen Wochen in der zairischen Hauptstadt zwangsrekrutiert wurden, singend und marodierend durch die Straßen ziehen. Dabei wurden die Lager der Hilfsorganisationen ausgeraubt. Auch der Sitz des katholischen Bischofs von Goma fiel in die Hand der plündernden Soldaten.

Die Fahrzeuge der internationalen Organisationen sind entweder gestohlen oder vom zairischen Militär konfisziert worden. Der ruandische Rundfunk meldete, daß über 500 in einer Kirchengemeinde in Goma eingeschlossene Tutsi von vorrückenden Rebellen befreit wurden. Tutsi-Kämpfer müssen demnach in der Stadt sein.

Am Nachmittag klang die Lage der internationale Helfer noch einmal angespannter. „Das Schießen ist ganz nah“, berichtet einer internationalen Helfer am anderen Ende des Satellitentelefons. „Wir sind hier vollkommen isoliert, im Rücken haben wir nur den Kivu- See, aber keine Boote. Die Soldaten, die uns schützen, schießen zurück.“ Eine von der UN angeheuerte zairische Soldatengruppe soll die rund hundert Helfer verteidigen. Der Mann bestätigt weiter, daß die Lager der Hilfsorganisationen, aber auch die Privathäuser der Mitarbeiter am Morgen geplündert wurden.

Wie es um die über 400.000 Flüchtlinge im Camp Mugunga steht, das bislang noch von den internationalen Helfern betreut werden konnte, kann der IKRK-Mitarbeiter Soler nicht sagen. „Unsere Informationen sind zwei Tage alt. Da haben wir die Flüchtlinge zuletzt versorgen können. Die Vorräte reichen etwa drei bis vier Tage“, berichtet er in einem Telefonat mit dem Berliner Inforadio.

Lokale Helfer, einige tausend in allen Camps, sorgen noch für das Funktionieren. Doch die Versorgung der Camps ist durch die Einnahme des Flughafens gekappt. Die Luftbrücke war die einzige Verbindung zur Außenwelt. Ein in der nur einen Katzensprung von Goma gelegenen Stadt Gisenyi wartender Hilfskonvoi wird nicht über die Grenze gelassen.

Den Nachrichtenagenturen zufolge sind inzwischen von den rund 700.000 ruandischen Flüchtlingen in Nordkivu etwa 110.000 Menschen in Richtung Mugunga unterwegs – als Folge der Kämpfe um die Stadt Goma. Das wird die Versorgungslage noch einmal angespannter werden lassen. Auch 54 Kilometer nördlich von Goma wurde um das Flüchtlingslager Katale gekämpft. Alle 210.000 Hutus flüchteten, nachdem sie Schüsse gehört hatten. Hunderte Menschen sollen inzwischen auch im nahe gelegenen Uganda eingetroffen sein. Andere fliehen tiefer ins Land, weg von der Grenze. „Sie haben nicht genügend Lebensmittel und Trinkwasser“, melden Mitarbeiter der Ärzte ohne Grenzen in einer Erklärung. Man müsse damit rechnen, „daß Epedemien ausbrechen, an denen viele sterben werden“. Wenn auch keine genauen Zahlen vorlägen, gebe es aufgrund der Kämpfe bereits jetzt zahlreiche Tote und Verwundete.

Nicht nur die ruandischen Flüchtlinge sind betroffen. Auch die zairische Zivilbevölkerung und die ruandische Bevölkerung in der Nachbarstadt Gisenye sind mittlerweile von den Kämpfen ebenso betroffen. Drei von der zairischen Seite abgeschossene Granaten haben die Bewohner zur Massenflucht veranlaßt. Tausende haben bereits die Stadt verlassen. Daniel Stroux