Hessen will AKW Biblis A endgültig stillegen

■ Die sichere Nachrüstung des Reaktors ist offenbar nicht vor 2010 möglich. Notstandswarte wird bei Erdbeben zum Problem. Kosten von einer Milliarde Mark

Wiesbaden (AFP) – Hessens rot-grüne Landesregierung will den umstrittenen Atommeiler Biblis A wegen gravierender Sicherheitsbedenken endgültig vom Netz nehmen. Wie Umweltministerin Margarethe Nimsch (Bündnis 90/ Die Grünen) gestern in Wiesbaden mitteilte, bereitet die hessische Atomaufsicht einen Erlaß vor, um die 1975 erteilte Betriebsgenehmigung für Deutschlands ältesten Großreaktor in den nächsten Monaten zu widerrufen.

Nimsch sagte, das für ein sicheres Herunterfahren des Kraftwerkes bei Störfällen erforderliche Notstandssystem könne nach neuen Erkenntnissen frühestens im Jahr 2010 fertiggestellt werden. In der Zwischenzeit bestehe das „Risiko, daß Biblis A Störfälle nicht beherrscht und auch eine Kernschmelze nicht in ausreichendem Maß auszuschließen ist“. Damit sei der Widerruf der Genehmigung unausweichlich.

Die hessische Atomaufsicht habe Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in einem 55seitigen Schreiben über die geänderte Einschätzung der Sicherheitslage in Biblis A informiert, sagte Nimsch. Ihr Ressort werde bei der Vorbereitung des Widerrufsbescheides jedoch keine Stellungnahme aus Bonn abwarten. Für den Erlaß des Bescheides sei keine Zustimmung aus Bonn erforderlich. Möglich wäre demnach jedoch eine „Weisung“ Merkels. Wegen des Feiertages Allerheiligen war gestern aus Merkels Ministerium kein Kommentar zu erhalten.

Zur Begründung der geplanten Stillegung sagte Nimsch weiter, der Betonbau der für den Betrieb von Biblis A benötigten Notstandswarte erhöhe bei Erdbeben die Betriebsgefahr für den benachbarten Block Biblis B in bisher nicht berücksichtigtem Maße. Dies habe die Betreiberfirma RWE nach einem von ihr selbst in Auftrag gegebenen Gutachten zum vergangenen Jahreswechsel einräumen müssen. Nach Angaben des hessischen Umweltministeriums wäre das Notfallsystem mit rund 125.000 Tonnen etwa genause schwer wie die beiden Kraftwerksblöcke, zwischen denen es stehen soll.

Nach Berechnungen des hessischen Umweltministeriums dürfte die Notstandswarte rund eine Milliarde Mark kosten; für die Nachrüstung der Reaktorblöcke wäre zusätzlich mehr als eine Milliarde Mark zu veranschlagen. Nimsch sagte, es sei möglich, daß RWE aus Kostengründen diese Summe nicht mehr investieren wolle. Allein eine Sicherheitsanalyse für das Notstandssystem würde rund drei Jahre dauern, mit seiner Fertigsstellung sei „realistischerweise nicht vor dem Jahr 2010 zu rechnen“, sagte Nimsch. Dies sei eindeutig zu spät.