Stuttgart steht am Millerntor im Regen

Der FC St. Pauli gewinnt mit 2:1 gegen den Tabellenzweiten  ■ Von Folke Havekost

Mit einem vermeintlich symbolträchtigen Bild leitete Sat1 seinen ran-Bericht über das Spiel des FC St. Pauli gegen den VfB Stuttgart ein: Halbtotale, Krasimir Balakov und Stephan Hanke nebeneinander: der eine Stuttgarter Spitzenspieler und Teil des sogenannten „Magischen Dreiecks“ des Tabellenführers, der andere ein Kicker, dem man gemeinhin nicht viel fußballerisches Können zutraut.

Für die folgenden 90 Minuten traf diese David- und Goliath-Symbolik nicht zu. Die Stuttgarter sahen am Millerntor keinesfalls überlegen aus. „Wir haben einen übermächtigen Gegner mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung nicht unverdient geschlagen“, freute sich dann auch St. Pauli-Trainer Uli Maslo nach dem 2:1-Sieg seiner Mannschaft. Das war nicht ganz falsch, man könnte es aber auch anders sagen: Dem VfB war der Schiedsrichter, St. Pauli das Wetter wohlgesonnen.

Der Tabellenzweite hatte Probleme mit dem regennassen Rasen, daran konnte auch eine nicht gegebene rote Karte für Stuttgarts Herzog, der Pröpper im Mittelfeld wüst umgrätschte, nichts ändern – zumal es kurz vor der Pause nochmal zu regnen begann. Ärgerlich für den VfB, der mit einem Sieg am Millerntor die Tabellenspitze zurückerobert hätte. „Wir haben versäumt, die Gunst der Stunde zu nutzen“, sagte Stuttgarts Trainer Joachim Löw nach dem Spiel.

Die Stimmung am Millerntor erinnerte an vergangene, leicht chaotische St. Pauli-Tage: Um 16:48 Uhr trat die Stadionuhr in einen unbefristeten Streik, die Zuschauer erzürnten sich am Beispiel des Schiedsrichters über die Ungerechtigkeit der Welt, und Stadionsprecher Rainer Wulff mußte mahnen, doch bitte keine Bierbecher aufs Spielfeld zu werfen.

Die Spieler liefen wieder in den Vereinsfarben braun-weiß auf – das alles sah nach alt-neuem Millerntor-Flair aus. Besonders Doppeltorschütze Christian Springer trug zur Begeisterung der Zuschauer bei. Ein Fan würdigte den Franken nach dem Spiel als „Jürgen Gronau der Postmoderne“. Gronau hatte 1988 beim legendären 2:1 des FC St. Pauli gegen Stuttgart mitgespielt. Danach war der Aufsteiger acht Spiele ungeschlagen geblieben und hatte sich vorerst in der Bundesliga etabliert. Die Vereinschronik der großen Spiele hat wohl ein neues Kapitel.

FC St. Pauli: Thomforde – Trulsen – Eigner, Pedersen (39. Stanislawski) – Driller, Hanke, Pröpper, Scherz, Springer – Sobotzik, Pisarew (73. Schweißing).

VfB Stuttgart: Wohlfahrt – Schneider, Verlaat, Herzog – Hagner (67. Buck), Fournier (82. Gilewicz), Soldo, Poschner – Balakow (85. Haber) – Elber, Bobic.

Schiedsrichter: Dardenne (Nettersheim) – Zuschauer: 20.375.

Tore: 1:0 Springer (12.), 1:1 Balakow (30./Foulelfmeter), 2:1 Springer (71.).