PDS-Tolerierung nicht undenkbar

■ Der grüne Fraktionschef Wieland fordert jedoch zuvor einen deutlichen Wandel der PDS. Rot-Grün aus eigener Kraft bevorzugt

taz: Sie haben sich am Wochenende für ein „Magdeburger Modell“ in der Hauptstadt ausgesprochen, also eine rot-grüne Minderheitsregierung, die von der PDS toleriert wird. Woher kommt der Sinneswandel? Sie hatten dies vor einem Jahr noch abgelehnt.

Wolfgang Wieland: Ich schließe nicht aus, daß bei der nächsten Wahl eine Magdeburger Lösung möglich ist. Doch es gibt deutliche Bedingungen. Nur wenn die PDS eine andere Partei wird, dann stellt sich für die Stadt die Frage einer Tolerierung. Der Umwandlungsprozeß der PDS geht mir aber noch nicht weit genug.

Es fehlt insbesondere die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit, es fehlt der unzweifelhafte Bruch mit der Vergangenheit als SED. Es gibt Reformschritte, die man sehen kann, die positiv sind, aber solange diese Hypothek da ist, ist die PDS für die Bündnisgrünen und für die Wähler und Wählerinnen nicht zumutbar. Ich fordere die PDS auf, sich der Vergangenheit zu stellen.

Inwieweit ist Ihre Position in der bündnisgrünen Fraktion mehrheitsfähig?

Das weiß ich nicht. Es ist auschließlich meine Interpretation unserer Beschlußlage. Unser Abgrenzungsbeschluß von der PDS war auf die Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Oktober 1995 bezogen. Ich gehe aber davon aus, daß ich mit meiner Position nicht allein stehe, sondern daß die Mehrheit in unserer Partei so denkt, ohne daß es bisher diskutiert wurde. Auch diejenigen, die sich im vergangenen Jahr wie ich ganz klar gegen ein Magdeburger Modell ausgeschlossen haben, sagen, die Wahlaussage für 1999 ist damit nicht vorweggenommen. Das wird anhand der politischen Bedingungen, insbesondere anhand des Zustandes, in dem sich die PDS befindet, neu zu entscheiden sein. Dabei werden auch mögliche Erfahrungen in anderen Bundesländern eine Rolle spielen. Ich möchte das Ergebnis nicht vorwegnehmen. Es kann wieder zu einer Ausgrenzung der PDS kommen, es muß aber nicht.

Sehen Sie eine realistische Chance für ein Magdeburger Modell?

Es ist deutlich mein zweitliebstes Modell. Rot-Grün aus eigener Kraft wäre mir viel lieber. Aber ich mußte zur Kenntnis nehmen, daß man uns mit dieser Aussage im letzten Wahlkampf nur bemitleidet hat. Aber das lag an der Schwäche der SPD. Die SPD hat ein Jahr nach der Wahl in Meinungsumfragen keinen Boden gutgemacht. Es ist keine grundsätzlich neue Kräftekonstellation da. Das bedeutet, man darf die Zeit bis 1999 nicht vertun.

Man muß sich die Frage stellen, ob man will, daß 1999 wieder ein Wahlkampf mit dem höchstwahrscheinlichen Ergebnis geführt wird, daß zum dritten Mal eine Große Koalition entsteht. Wenn man das nicht will, muß man handeln. Interview: Julia Naumann