Bedrohlich wie das Kasperle mit Pritsche

■ K.o.-Sieger in Garmisch: Europameister Mavrovic ist „ein Mann für die Amerikaner“

Garmisch (taz) – Als Fallobst bezeichnet man jene Früchte, die sich, wenn die Erntezeit naht, als erste vom Ast verabschieden. Etwas schwächlich, vielleicht schon vom Wurm angefressen, können sie ihren Platz an der Sonne nicht mehr halten und liegen demzufolge frühzeitig im Dreck. Ebenso betitelten Boxern fehlt es an Klasse – zumindest an aktueller Klasse –, und sie werden denen, die das größere Geschäft versprechen, zum Fraß vorgeworfen.

Einerseits, um deren Glorienschein leuchten zu lassen, andererseits, um einfach dem Kampfrekord in die Höhe zu treiben. Nach dem Kampfsportabend im Garmischer Olympia-Eissportzentrum, wurden am frühen Sonntag alle am Geschäft Beteiligten nicht müde zu betonen, daß Clifton Mitchell kein Fallobst gewesen sei, nicht nur ein gutbezahlter Sandsack des Europameisters Zeljko Mavrovic.

Immerhin war der Engländer bis zu diesem Abend die Nummer Eins der europäischen Schwergewichts-Rangliste. Von neunzehn Kämpfen hatte er sechzehn durch K.o. gewonnen. Das hört sich nicht so schlecht an. Leider scheint es sich bei Mitchell (31) um einen etwas verträumten, vielleicht sogar verspielten Menschen zu handeln. Wie er in den Ring marschierte, schwarzweiß-gefleckte Wildtierhose unten, Homburger (sic!) oben, wirkte er nicht bedrohlicher als Kasperle mit der Pritsche.

Auch sein wilder Schrei während der Hymnen erschreckte wohl ihn selbst am meisten. Und durchlöcherte seine Konzentration im entscheidenden Moment, könnte man spekulieren. Denn unkonzentriert wirkte er – der Herausforderer. Wie er schon in der ersten Runde um ein Haar den Ringrichter ausgeknockt hätte. Wie er halbherzig die Rechte Mavrovics umlief, um schlußendlich dann doch voll hineinzurennen. Wie er sich in der Pressekonferenz beklagte, daß man den Kampf viel zu früh abgebrochen hätte.

Er hätte zwar einige „shots“ kassiert, aber sei davon eigentlich unbeeindruckt gewesen und hätte noch in vollem Saft gestanden. Nach drei Niederschlägen in eineinhalb Runden, wohlgemerkt. Etwas verträumt, wie gesagt. Das Urteil lautete: Abbruch durch technischen K.o. Es war eine sehr nachvollziehbare Entscheidung, denn Zeljko Mavrovic ist bekannt dafür, daß er hinlangen kann. Seine momentane Bilanz: 24 Kämpfe, 24 Siege, 19 davon durch K.o.

„Jacketkrone“ Ebby Thust zum Beispiel ist von dem Kroaten hörbar beeindruckt: „Mavrovic hat das Zeug zur neuen weißen Hoffnung. Das ist ein Mann für die Amerikaner. Die mögen Leute, die schlagen können.“ Der von Wilfried Sauerland gemanagte Boxer könnte tatsächlich einen WM- Kampf kriegen. Bei der IBF, wo Sauerlands Einfluß nicht gering ist. Falls deren Titelträger Moorer nicht nächste Woche von Botha gekippt werden sollte. Oder demnächst eine Chance gegen Tyson bekommt.

Wer eine Ahnung davon hat, wie gerne sich Mavrovics Manager Sauerland und der US-amerikanische Box-Nero Don King mögen, kann sich ausmalen, was dann den Überseeauftritten des in Köln lebenden Boxers im Wege steht. Pech ist auch, daß er nicht Brettschneider heißt. Denn dann, Thust weiß es genau, „wäre auch die Halle in Garmisch bombenvoll gewesen“. Damit war es nichts. Trotz eines wirklich prima Irokesenschnittes und beachtlicher Puncherqualitäten hat Zeljko Mavrovic (28) in Deutschland kein Publikum.

Wenn er nicht ein Häuflein emphatisch die Fahnen schwingender Landsleute herbeigelockt hätte, wäre die Titelverteidigung wohl vor einer ziemlich gespenstischen Kulisse abgelaufen. Und das Gesicht des Fürstenfeldbrucker Frauenarztes Hansen, der sich die Austragungsrechte von Promoter Klaus-Peter Kohl andrehen ließ, wäre noch eine Idee länger geworden, angesichts eines halbleeren Betonbunkers. Albert Hefele