Der Spaß am Verlieren

Auch der zweitklassige Euro Rugby Cup ist für den deutschen Meister SC Neuenheim zu stark  ■ Von Günter Rohrbacher-List

Heidelberg (taz) – In Sydney wird im Rugby dank der Weltklasse der Gastgeber um olympisches Gold gespielt. Bis zum Jahr 2000 wird zwar noch einige Zeit vergehen, doch eines ist heute schon sicher: Ein deutsches Team wird bei der Vergabe der Medaillen keine Rolle spielen. Es würde auch keine spielen, gäbe es für den zwölften Platz einen Achat.

So kraß sind die Leistungsunterschiede, daß die etablierten Verbände im Europacup unter sich bleiben wollen. Nachdem bei der Premiere im letzten Jahr Engländer, Schotten und Iren sich noch nicht auf den Kontinent gewagt hatten und Stade Toulousain gegen den Cardiff RFC erster Europapokalsieger wurde, stiegen dieses Jahr auch die Isolationisten ein. Gleich vier Teams aus England, darunter Meister RFC Bath, die London Wasps und die London Harlequins mit Lady Dis Ex-Vertrautem William Carling mischen mit. Die gleiche Anzahl stellen Frankreich und Wales. Schottland und Irland sind dreimal vertreten, Italien zweimal. Für die restlichen Spitzenklubs aus diesen Verbänden schuf der International Rugby Football Board (IRFB ) die Euro Rugby Conference. Die aber ist immer noch zu stark für Teams aus Heidelberg und Hannover.

Die französische Sportzeitung L'Equipe schrieb zur Europäisierung des Klub-Rugby: „Sicher, seine Dimensionen sind, verglichen mit denen des Fußballs, bescheiden. Sechs Nationen, sieben, wenn man Rumänien dazunimmt ... Das ist wenig. Aber wäre es nötig und klug, die Meister von Spanien, Deutschland oder den Niederlanden einzuladen...?“

Doch ganz ohne internationale Vergleiche will der Deutsche Rugby-Verband (DRV) auch nicht leben. Schließlich sind die WM 1999 in Wales und Olympia 2000 erklärte Ziele der noch im Abseits stehenden Deutschen. Der Euro Rugby Cup mußte her, und so kämpfen die Meister und die Zweiten aus Belgien, Holland und Deutschland in zwei Dreiergruppen um die ersten beiden Plätze, die für das Halbfinale im März 1997 berechtigen.

Ist es nicht erniedrigend, einen Europapokal zweiter Klasse zu spielen? „Wir hätten beim richtigen Europacup nichts verloren“, sagt Kay Kocher. Der Gedrängehalb des Deutschen Meisters SC Neuenheim sieht das europäische Ausleseverfahren realistisch. „Das brächte uns nichts, denn wir sähen dabei sehr alt aus, da die Engländer und die Franzosen um einige Klassen besser sind.“ Doch für den Meister vom Heidelberger Zoo, der schon eine Woche zuvor im Meisterschafts-Halbfinale gegen den Erzrivalen RG Heidelberg mit 5:6 den kürzeren gezogen hatte, waren auch die Hürden RC DIOK Leiden (10:46) und RC Boitsfort Brüssel zu hoch.

Gegen die Belgier, die körperlich keinen besonders guten Eindruck machten, aber spielerisch harmonierten, hätten die Neuenheimer fünf Versuche legen und gewinnen müssen, um im nächsten Frühjahr noch dabeizusein. Doch ohne den durch einen komplizierten Daumenbruch ausfallenden Kocher und den gleichfalls verletzten Kapitän Ladislaus Vigh waren die Blau-Weißen am Samstag chancenlos. Erst als es 0:22 stand, gelang ihnen ihr einziges Erfolgserlebnis: Versuch und Erhöhung, das war's. Am Schluß hieß es dann 7:35, und die glücklichen Belgier bildeten einen großen Kreis, faßten sich an den Händen und sangen und tanzten.

Ob der Euro Rugby Cup für die schwächeren Mitteleuropäer sein Ziel erreichen wird, die Popularität des Rugby zu steigern ist so fraglich wie, ob er auf Länder wie Tschechien, Schweiz und Österreich ausgeweitet werden kann. Es fehlt das Geld. Der IRFB, der zunächst die Kosten der Vereine übernehmen wollte, will inzwischen davon nichts mehr wissen.

John Fleming, Trainer der neuseeländischen U 23-All Blacks, hat im übrigen nach einem 89:7 seiner Haka-Tänzer gegen die baden- württembergische Auswahl auch noch charakterliche Mängel bei den Deutschen ausgemacht. Die hatten nach eigenem Bekunden trotz der Schlappe „viel Spaß gehabt“. Das brachte Fleming ins Grübeln: „Wie kann man Spaß haben, wenn man so hoch verliert? Beim Rugby geht es um den Sieg!“

In Neuseeland wie in Australien, Südafrika, Frankreich und England ist Rugby eine Lebensauffassung, in Heidelberg und Hannover eine Freizeitbeschäftigung. Bei Olympia 2000 wird man wohl ohne die Deutschen auskommen müssen. Schlimmer: Man wird sie nicht vermissen.