Schwein sein, aber nicht haben

Auch mit Martin Dahlin vermag Borussia Mönchengladbach im auswärtigen Stadion keinen Treffer zu erzielen und verliert 0:3  ■ Aus Leverkusen Christoph Biermann

Bernd Krauss ist ein bedauernswerter Mann. Zwar ist er als Trainer von Borussia Mönchengladbach Inhaber eines Arbeitsplatzes auf einem der am härtesten umkämpften Arbeitsmärkte der Bundesrepublik (nur 18 Stellen), aber die Freude darüber dürfte zur Zeit begrenzt sein. „Es ist sehr bitter, aus guten Chancen keine Tore zu machen“, sagte er am Samstag nach dem 0:3 in Leverkusen.

Aber sagte er das nicht auch schon in Stuttgart vor Wochenfrist, vor drei Wochen in Freiburg, vor fünfen in Düsseldorf usw. usf.? Borussia Mönchengladbach, noch vor wenigen Monaten der Schrecken aller Heimteams, hat nämlich inzwischen den unschönen Rekord von sieben torlosen Auswärtsspielen in Folge aufgestellt. Einen einsamen Punkt haben sie von ihren Reisen mitgebracht, so wenig wie sonst keine andere Mannschaft in der Bundesliga. Und wenn man weiß, daß Krauss einen Präsidenten Drygalsky hat, der seinen Trainer nicht sonderlich mag, kann man das knurrige „Kein Kommentar!“ des Vorsitzenden bei der Frage nach der Zukunft seines Fußballehrers durchaus als Drohung verstehen.

Dabei hätte alles ganz anders werden können, wenn Fußball nicht so ein komisches Spiel wäre. Da lief zum ersten Mal wieder Rom-Rückkehrer Martin Dahlin für die Gladbacher auf, und schon gab es den erhofften Effekt. Aus einem zuletzt müden und orientierungslosen Haufen wurde unversehens ein entschlossen auftretendes Fußballteam. In manchen Spielzügen erkannte man Ansätze von Selbstsicherheit, gelegentlich sogar Esprit. Dahlin, den niemand mag, der nicht mit ihm zusammenspielt, wühlte sich in die Abwehr des Gegners, nervte den Schiedsrichter, zog den Haß des Publikums und die Tritte der Gegenspieler auf sich. Nach 26 Minuten hatte er schon seinen Teil zur gelb- roten Karte von Bayer-Libero Jens Nowotny beigetragen, als er von ihm umgetreten wurde. Kurzum: Dahlin gab das Schwein, das den Borussen in den letzten Wochen so gefehlt hatte.

Da er aber auch ein hervorragender Stürmer ist, köpfte er nach gut einer Viertelstunde an die Latte und nach fünfzig Minuten an den Pfosten. Trotz Schwein sein kein Schwein haben, das war das Problem. „So viel Pech kann man gar nicht haben“, meinte Dahlin. Aber es kam noch viel schlimmer. Weil Bayer Leverkusen „zum erstenmal in dieser Saison wirklich Glück hatte“, wie Stürmer Eric Meijer zugab, fiel das Tor, auf das alle warteten – gegen Gladbach.

Eine Flanke von Ramelow und ein Kopfball von Nico Kovac reichten. Der Torschütze fand im Taumel seines ersten Bundesligatreffers zwar, daß „bei Gladbach zuwenig Bewegung“ war, für eine stürmische Daueroffensive der Gäste reichte es aber trotzdem. Eine Viertelstunde nach der Führung bedachten die Zuschauer einen Abschlag von Leverkusens Heinen noch mit höhnischem Beifall – die vorherigen waren weit im Aus oder direkt beim Gegner gelandet –, als Meijer per Kopf verlängerte und Lehnhoff direkt und wunderbar zum 2:0 in den Winkel schoß. „Glück hat eben nur der Tüchtige“, resümierte Christian Wörns. Und meinte damit vielleicht auch Paulo Sergio, der Schneider den Ball abnahm durch die Gladbacher Hälfte flitzte, einen Haken schlug und auch noch das 3:0 schoß. Bayer-Trainer Christoph Daum wollte sich mit wiegendem Kopf in Glücksdingen trotzdem nicht so recht festlegen: „Ich bin nicht geneigt, das Spiel in die Rubrik ,Glück‘ einzuordnen, aber ich würde mich auch nicht dagegen wehren.“

Ansonsten gab sich Daum entschlossen und verkündete: „Diese Mannschaft lebt!“ Im Kampf gegen die notorische Halb-Agonie der Bayer-Profis scheint er wirklich in der Vorderhand zu sein. Denn Daum hat es gar geschafft, daß sich Sergio in Momenten der Bedrängnis zu Befreiungsschlägen am eigenen Strafraum herabläßt, die früher unter seiner Würde gewesen wären. Dagegen muß sich Bernd Krauss weiter in Durchhalteparolen üben, wobei sein Routinier Christian Hochstätter den erhofften „Dahlin-Effekt“ schon für verflogen hält: „Wir haben doch verloren.“ Gut, daß es bis zum nächsten Auswärtsspiel noch drei Wochen sind.

Leverkusen: Heinen - Nowotny - Wörns, Happe - Lehnhoff (88. Rydlewicz), Ramelow, Nico Kovac, Sergio, Heintze - Kirsten (67. Robert Kovac), Meijer (80. Feldhoff)

Borussia Mönchengladbach: Kamps - Kastenmaier (62. Paßlack), Fournier, Andersson, Neun - Schneider, Hochstätter, Wynhoff, Nielsen (62. Mori) - Dahlin, Pettersson

Zuschauer: 21.000 (ausverkauft) – Tore: 1:0 Nico Kovac (56.), 2:0 Lehnhoff (72.), 3:0 Sergio (76.)