Warum sollen VerbraucherInnen sich das gefallen lassen?

■ betr.: „Rewe gegen Rexrodts Gen technik-Kurs“, taz vom 21.10. 96

Die Argumente „Arbeitsplätze“ und „Standort Deutschland“ gewinnen auch dadurch nicht mehr an Substanz, daß die BioTech-Lobby und im selben Atemzug Wirtschaftsminister Rexrodt sie ständig wiederholen. Die Panikmache liegt bei der Regierung. Ganz entschieden müssen wir uns alle gegen die Kriminalisierung von Bürgern wehren, die sich aus einem hohen Maß an Verantwortung und Sachkenntnis heraus für die Gesundheit der Bevölkerung und die Erhaltung unserer Umwelt einsetzen. [...]

Der Standort Deutschland sollte sich durch gesundheitsfördernde Produkte und umweltfreundliche Technologien profilieren. Hier liegen die Zukunftschancen Deutschlands; auf diesem Gebiet kann Deutschland führend werden. [...] Traude Langer, Bissendorf

[...] Bei der anhaltend ablehnenden Haltung der deutschen Öffentlichkeit gegenüber Genfood – 80 Prozent wollen so etwas nicht essen – gerät die Gentech-Industrie unter Zeitdruck. Ist Minister Rexrodt gut beraten, hier für die entsprechende Lobby Partei zu ergreifen? Hat doch die Gen-Diskussion etwas Gutes; sie führt Handel und Verbraucher zueinander. Inzwischen bekennen sich immer mehr führende Handelsketten zu einer freiwilligen Kennzeichnung der GVL. Joachim Zegke, Bissendorf

[...] Nahrungsmittelkonzerne, die sich gegen die ungekennzeichnete Einführung wehren, stellt Wirtschaftsminister Rexrodt in die Ecke der Kriminellen, dem Verbraucher werden unbegründete Ängste vorgeworfen. Ist diese Angst vor Monsanto, dem Produzenten des im Vietnamkrieg verwendeten Entlaubungsmittels „agent orange“ nicht begründet? Wird diese Angst nicht sachlich und konkret bei einer Betrachtung der wissenschaftlich bereits nachgewiesenen Nebenwirkungen und der bereits aufgetretenen Flops bei der massiven Einführung der Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung?

Herbizidresistente Pflanzen erlauben dem Landwirt, seine Felder mit Unkrautvernichtungsmitteln in beliebiger Menge zu besprühen, das Unkraut wird vernichtet, nur die Nutzpflanzen bleiben übrig. Vorsichtige Schätzungen erwarten mindestens eine Verdreifachung des Herbizideinsatzes in der Landwirtschaft (Goldberg, R.J., 1994, Weed technology 6, 647)

Monsanto hat auch „pestizidresistente“ Baumwolle erzeugt, die angeblich immun gegen Insektenfraß sein sollte. Doch Schädlinge wuchsen und gediehen. Mehrere 1.000 Hektar von Bt-Cotton waren befallen und entgegen den Versprechungen mußten die amerikanischen Farmer massiv Pestizide einsetzen. (Sience 273, 423, 1996)

Daß Pflanzen die Tendenz haben, neu eingeführte Gene durch Umwelteinflüsse (Kälte, Hitze) zu inaktivieren, ist seit langem bekannt (J. Finnegan and D. McElroy, Transgene inactivation: plants fight back! Bio/Technology 12:883-88, 1994) Ein Verlust der Herbizid-Toleranz bedingt durch eine Hitzewelle kann bei den riesigen Monokulturen der „High- Tech-Landwirtschaft“ katastrophale Folgen haben. Wer hilft dem Farmer und der hungrigen Bevölkerung, wenn diese überrascht feststellen, daß eine gesamte Ernte durch das angepriesene Herbizid vernichtet wurde?

Warum soll der Verbraucher dem von Monsanto verteilten Werbeblättchen zum Thema Sojabohne Vertrauen schenken, wenn gerade diese Firma sich in der Vermarktung des gentechnisch produzierten Rinderwachstumshormons rBST nicht gerade als zimperlich erwiesen hat und sogar beschuldigt wurde, wissenschaftliche Daten unterdrückt zu haben? (Spiegel Nr. 6/1994 und Nature 371, 647/1994) rBST steigert die Milchproduktion um 15 bis 20 Prozent und ist in der EU verboten. Es führt bei Rindern zu schweren gesundheitlichen Schäden und steht nach Angaben der amerikanischen Vereinigung für Krebsvorsorge im Verdacht, beim Menschen Brustkrebs auszulösen.

Warum soll der Verbraucher der angeblichen Ungefährlichkeit der Sojabohnen Glauben schenken, wenn in einem anderen Fall bereits nachgewiesen wurde, daß die mit Paranuß manipulierte Sojabohne von Pioneer Hi-Bred International, heftige Allergien auslöst? (Universität Nebraska, 1996).

Warum soll der Verbraucher ein Vertrauen entwickeln, wenn weder Kennzeichnungspflicht noch Produkthaftung existiert?

In Indien allein existieren zur Zeit 50.000 verschiedene Reissorten, entwickelt über Jahrhunderte durch konventionelle Züchtungsmethoden, natürliche Evolution, individuelle Boden- und Klimagegebenheiten. Die Patentierbarkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen, die den wenigen gigantischen multinationalen Konzernen riesige Monopolstellungen verschafft und die für konventionelle Saatgutfirmen den wirtschaftlichen Ruin bedeutet, wird eine solche Artenvielfalt bald der Vergangenheit angehören lassen. Warum soll der Verbraucher sich das gefallen lassen? Eckart Stein, Frankfurt/Main

[...] „Monsanto lehnt auch jegliche Produkthaftung ab!“ Wie kann das sein? Jeder Autohersteller ist für sein neues Auto verantwortlich, das mit altbekannten Techniken produziert wurde. Warum nicht die Verantwortung bei einer Technik tragen, die de facto erst in den Kinderschuhen steckt? Traut Monsanto seinem eigenen Produkt nicht? Wie sollen Ärzte die Ursache von neuen Allergien identifizieren, wenn es keine Kennzeichnung gibt? [...] Bettina Metzler, Frankfurt/Main

Die Diskussion um die „Grüne Gentechnik“ am Beispiel der Sojabohne verengt sich auf die zweifellos dringenden Fragen von Sicherheitsrisiken und Akzeptanz. Dabei werden aber andere, ebenso wichtige Aspekte vernachlässigt.

Anzuführen sind zum einen die Auswirkungen auf die Landwirtschaft der Dritten Welt, zum anderen mögliche Beeinträchtigungen der biologischen Artenvielfalt. Das Welternährungsproblem ist bekanntlich in weiten Teilen kein Produktions-, sondern ein Verteilungsproblem. Einer massiven Überproduktion in der Ersten Welt steht ein Produktionsdefizit in der Dritten Welt gegenüber. In vielen Fällen bedingt die erstere das letztere.

Mit Hilfe kräftiger Subventionsspritzen für die Agrarindustrie werden Überschüsse der EG und der USA zu Dumpingpreisen in den Süden exportiert, mit ruinösen Auswirkungen auf die Landwirtschaft der Entwicklungsländer. Die dortigen Landwirte können in vielen Gegenden mit diesen Billigprodukten nicht mehr konkurrieren. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Grüne Gentechnik diesen Trend noch verstärkt, Nordprodukte noch billiger macht und den Exportdruck erhöht.

Ein anderes Problem ist die Politik der Weltbank, die Kreditvergabe an Entwicklungsländer von erhöhten Exportanstrengungen abhängig zu machen. Es gibt viele Beispiele, in denen Landwirte von ihren Regierungen mehr oder weniger sanft gezwungen wurden, die Landressourcen zur Produktion „exportwürdiger“ Erzeugnisse wie Baumwolle, Kaffee, Kakao etc. zu nutzen, anstatt Subsistenzwirtschaft zu betreiben (wo das noch ökonomisch möglich ist) – von Raubbau an natürlichen Ressourcen ganz zu schweigen. Und ausgerechnet die Weltbank suggeriert die Grüne Gentechnik als Heilmittel gegen eine Entwicklung, die sie mittelbar stützt!

Der zweite Gesichtspunkt wendet sich gegen die Kahlschlagmentalität, die bei der Erzeugung herbizidresistenter Kulturpflanzen Pate steht. Bei der Sojabohne wird die Entwicklung mit Sicherheit nicht stehenbleiben. Im profitablen Regelfall werden dann riesige Landflächen vor der Aussaat zunächst weitgehend pflanzenfrei gemacht, wobei der Großteil der Lebensgemeinschaften dieses Raumes vernichtet wird. Die Wirkung dieser Praktik in einer Zeit der rapiden Artenverarmung läßt sich auch ohne große Phantasie absehen. Im günstigsten Fall werden wohl Reservate für die zusätzlich bedrohten Arten geschaffen. Wie weit das die negativen Effekte aufheben könnte, bliebe abzuwarten; die Kosten dürften der Allgemeinheit zufallen. D. Kleiner, Bayreuth