Berliner Polka und Schweizer Jodler

■ Die Geschwister Pfister: Mit „The Great Space Swindle“ von den Schweizer Bergen hinauf in intergalaktische Höhen

Die „Geschwister Pfister“ auf neuen Pfaden. Die US-Raumfahrtbehörde NASA hat sie diesmal in die unendlichen Weiten geflogen.

Natürlich ist das alles erlogen, eben „The Great Swindle“, wie fast alles in der Biographie dieser musikalischen Geschwister- Truppe. Und letztlich ist es doch auch eine logische Folge ihres künstlerischen Aufstiegs.

Alles begann vor knapp sechs Jahren, als eine kleine Gruppe befreundeter Schauspieler als Geburtstagsüberraschung für ihren Kollegen Otto Sander ein paar A-capella-Songs einstudierten. Kurz darauf gab's die „Geschwister Pfister“ schon in der Freien Volksbühne und in der Schaubühne vor stetig wachsendem Fachpublikum zu bewundern. Vier Zermatter Waisenkinder, die ihre Kindheit bei ihrem showfreudigen Onkel in Las Vegas verbrachten und zu musikalischen Wunderkindern herangezogen wurden, ihre Schweizer Wurzeln jedoch nie ganz verloren haben. Zwei der Geschwister haben sich nach diesem Karrierestart indessen zur Ehefrau in die USA beziehungsweise auf die Almhütte in die Berge zurückgezogen. Toni, der fesche, bodenständige Softie und Romantiker mit dem Schmelztenor fand gemeinsam mit seinem smarten, mit Brillantringen überladenen Bruder Ursli (Liberace läßt grüßen) eine neue Dame ihres Herzens.

Fündig wurden sie bei Fräulein Schneider. Eine herzerfrischende, erdig-erotische Bulgarin mit immerzu breitem, süßem Lächeln und hochgeschnürtem drallem Busen. Sie radebrecht mit breitem Puszta-Akzent, während Toni sein charmantes Schwyzerdütsch pflegt und Ursli im amerikanisch-deutschen Mischmasch kauderwelscht.

Die „Geschwister Pfister“ auf der Bühne, das heißt: rasante A-capella-Chorsätze, Shoo-Be- Doo-Be-Doo-Songs, die sich ohne Brüche mit Schunkel-Polkas, heimatlichen Bergmelodien, klassischem Swing und schräger Schlagerkost aus den letzten fünf Jahrzehnten mischen. Eine Entertainer-Truppe, die – erstklassig choreographiert – musikalischen Schmalz und Kitsch dank Parodie und gnadenloser Perfektion zu neuen Ehren bringen.

Traten sie anfangs noch mit edelweißen Hemden und Enzian am Hut auf, schlüpften sie für „March of Glory“ als Wiedergeburten der Andrew-Sisters in Militäruniformen, um als „amerikanisch-bulgarisch-helvetische Armee im Kampf für eine gerechte und friedliche Unterhaltung“ durch die Republik zu ziehen. Und für ihre neue Show steigen sie in Raumfahreranzüge und Stars-and Stripes-Kostüme.

Die Geschwister Pfister – ein Gesamtkunstwerk, bei dem Dichtung und Wahrheit bereits so sehr verschwimmen, daß mancher Zuschauer die Bühnenfiguren bereits für wahres Leben hielten. So ist Toni (Tobias Bonn) eigentlich nicht mit Frl. Schneider (Andreja Schneider) verheiratet, sondern lebt vielmehr mit Ursli (Christoph Marti) in trauter Zweisamkeit. Und echter Schweizer ist eigentlich auch nur Marti. Daß seine Kunstfigur Ursli, die Eitelkeit in Person („My Hobby is Körperpflege“), Glamour-Model für eine Zigarettenfirma und für Schwulenmagazine wurde, ist letztlich nur folgerichtig. Weil ihre Berliner Heimstätte, die „Bar jeder Vernunft“, inzwischen einfach zu klein geraten ist, haben sie sich das Sylter Meerkabarett, ein Zelttheater, für drei Monate ausgeliehen, zum „Blauen Zelt“ umfunktioniert, männliche Oben-ohne-Kellner engagiert und eine spacige Show inszeniert. Die Geschichte ihres Weltraumausflugs dient als roter Faden, an dem entlang sich neue Geschichten erzählen und jede Menge schräge Sangesperlen singen lassen. Ob Howard Carpendale, Dolly Parton, Dean Martin, „Love is Like A Butterfly“, Disneys „Snowwhite“, Berliner Polka oder Schweizer Jodler: Die Pfisters machen daraus Easy Listening pur. Ein reines Vergnügen, das spätestens mit dieser Produktion der sogenannten Kleinkunst entwachsen ist – eben ins Intergalaktische. Axel Schock

„The Great Space Swindle“, bis voraussichtlich 30. Januar, mittwochs bis sonntags 20 Uhr, im Blauen Zelt am Lützowplatz, Berlin. Kartentelefon: 030-26550696. Gerade erschienen ist die erste Studio-CD der „Geschwister Pfister“, „Turn Of The Bubblemachine“ (Traumton Bestell-Nr. 4441-2)