Australiens Rassismus sitzt tief

■ Nach der Brandrede einer Abgeordneten gegen die „asiatische Überschwemmung“ jetzt Demonstrationen

Berlin (taz) – Über 2.000 Australier haben am Samstag in Sydney gegen Rassismus demonstriert und sich mit den asiatischen Einwanderern solidarisch erklärt. Weitere Demonstrationen im ganzen Land sind geplant. Der Grund: Seit die unabhängige Abgeordnete Pauline Hanson vor zwei Monaten im Parlament ihre Antrittsrede hielt, diskutiert Australien über Rassismus. „Ich glaube, daß wir in Gefahr sind, von Asiaten überschwemmt zu werden“, hatte Hanson dramatisch gewarnt. „Die benachbarten Staaten wie Japan mit 250 Millionen Einwohnern und China mit 1,2 Milliarden sind sich unserer Ressourcen bewußt.“ Die Nachbarländer reagierten pikiert, Australiens konservative Regierung unter Premierminister John Howard mußte sich erklären. Gemeinsam mit der Opposition verabschiedete das Parlament in der vergangenen Woche eine Resolution: „Das Parlament verurteilt rassische Intoleranz in jeder Form als unvereinbar mit der Art von Gesellschaft, die wir sind und sein wollen“, hieß es. Aber eine ausdrückliche Distanzierung von den Äußerungen Hansons ließ der Premier in der Debatte vermissen.

Kein Zufall, denn mit ihrer Vorstellung, daß alle Probleme Australiens vor allem auf die angebliche Bevorteilung der Asiaten und Aborigines zurückzuführen seien, steht Pauline Hanson nicht allein. Etwa 61 Prozent der Bevölkerung sind nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage dafür, die Einwanderung nach Australien zu stoppen. Und sollte Hanson einen Sitz im Senat, der zweiten Kammer, anpeilen und eine eigene Partei gründen wollen, gibt das australische Wochenmagazin Bulletin ihr Chancen, 18 Prozent der Stimmen zu erhalten.

Dabei kommen von den etwa 75.000 Einwanderern pro Jahr nur 4,5 Prozent aus Asien. Und der asiatische Bevölkerungsanteil Australiens macht gerade mal 1,3 Prozent aus, der Anteil der Aborigines ist etwa genauso klein. Als Abnehmer von 60 Prozent des australischen Exports ist Asien allerdings wichtigster Handelspartner Australiens.

Aber die Angst vor der „asiatischen Gefahr“ sitzt tief. Die Abgrenzung gegen andere, vor allem Aborigines und Asiaten, spielte schon historisch eine wichtige Rolle für die Identitätsfindung der weißen Australier. In den 70er Jahren fand diese Politik ihren Ausdruck in der Parole „Australien für Weiße“. Erst seit Anfang der 90er Jahre wird der Versuch unternommen, Toleranz und der Versöhnung mit den Ureinwohnern zum Programm zu erklären. Sogar eine nationale Vertretung der Aborigines wurde eingerichtet.

Aber mit der Wirtschaftskrise und höheren Arbeitslosenzahlen sank die Stimmung gegenüber den Minderheiten in den letzten Monaten auf einen neuen Tiefpunkt. Nachdem der konservative John Howard im Frühjahr die Wahlen gewonnen hatte, war eine Reduzierung der Einwanderungsgenehmigungen eine seiner ersten Amtshandlungen. Wie in den 70er Jahren führte Howard auch wieder Sprachtests als Voraussetzung für die Einwanderung ein. Und die jüngsten Sparmaßnahmen der Regierung treffen vor allem die Programme für die Aborigines.

Nach Hansons Parlamentsauftritt hatten die australischen Medien noch gemutmaßt, ihr Stern werde so rasch sinken, wie er aufgegangen sei. Die Einschätzung hat sich inzwischen gewandelt. Als kürzlich das populäre Fernsehmagazin „60 Minutes“ versuchte, die frischgebackene Abgeordnete und ihre rassistische Haltung bloßzustellen, mißlang das gründlich – die Zuschauer stellten sich auf ihre Seite. Ute Becker