Blitzeblau nachts auf'm Bau

■ Wie der CDU-Parlamentspräsident und der SPD-Fraktionschef die Baustelle der Linie 4 auseinandergenommen haben

reisfrage: Was hat Udo Jürgens mit der politischen Spitze Bremens zu tun? Antwort: ziemlich viel. Denn schon vor Jahr und Tag hat der Schlagerkönig eine für unser kleines Gemeinwesen geradezu prophetische Zeile gedichtet. „Der Teufel hat den Schnaps gemacht, um uns zu verderben.“ Wie? Was? werden Sie fragen. Was soll dieses alberne Gerede? Abwarten. Denn die Jürgenssche Prophetie führt uns schnurstracks zur Bremer Baustellenaffäre. Und die geht so:

Der Freitag in der vorletzten Woche war ein freudloser Tag. Da spielte nämlich Werder gegen die Kickers von Bayer Leverkusen. Und das war alles andere als ein Vergnügen. Bleischwer stolperten die Grün-weißen über den Platz, bleischwer waren die Minen der Zuschauer. Nur nicht die von vier Polit-Promis, die es sich auf der VIP-Tribüne des Weserstadions bequem gemacht hatten: Claus Dittbrenner, Ex-Fraktionschef der Bürgerschafts-SPD und jetzt Vizepräsident des Landesparlaments; Christian Weber, SPD-Fraktionsvorsitzender; Ronald-Mike Neumeyer, Vorsitzender der CDU-Fraktion und Reinhard Metz, früher CDU-Spitzenkandidat und jetzt Präsident der Bremischen Bürgerschaft. Die hatten sich nämlich ein Alternativ-programm zum öden Gekicke ausgedacht. Ein Bierchen nach dem anderen wurde gereicht – böse Zungen behaupten, man habe sich an der Dittbrennerschen Schluckgeschwindigkeit orientiert – ziemlich zügig. Wie auch immer, als die 90 grausamen Werder-Minuten um waren, da waren unsere vier schon leicht angebreitet, aber lustig.

Wie das in solchen Momenten eben ist: So halbtrocken wollten die Herren nicht auseinandergehen. Eine Gastwirtschaft sollte aufgesucht werden. Nur Dittbrenner seilte sich ab, aber Neumeyer, Metz und Weber machten sich auf den Weg nach Schwachhausen, um dortselbst in einer Kellerbar weiterzuzechen. Da gingen dann die einen und die anderen Calpirinhas über den Tisch. Wer den brasilianischen Trendy-Cocktail nicht kennt: lecker, knallt aber voll rein. Insbesondere beim Durcheinandertrinken, und die Herren hatten schließlich schon ein paar Bierchen intus. Entsprechend intensiver angebreitet und noch lustiger beschlossen die drei, nun doch nochmal das Etablissement zu wechseln. „Ich kenn da eine Kneipe“, soll CDU-Neumeyer fröhlich ausgerufen haben. Die sei gar nicht weit weg.

So machten sie sich auf den Weg und eierten durch das nächtliche Schwachhausen. Und eierten. Und eierten. Nur die Kneipe gab es nicht mehr. Jedenfalls: Den Herren wurde es zu bunt, also schlug Senior Metz vor – mittlerweile war es fast drei Uhr nachts – nun in die Gaststätte „Galerie“ in der Schwachhauser Heerstraße zu gehen. Kennt jeder, und die Heerstraße kann man gar nicht verfehlen.

Die fanden die drei auch. Aber was mußten sie da sehen? Eine Baustelle, und dann auch noch für die vermaledeite Linie 4. „So eine Scheiße“, soll da der Parlamentspräsident ausgerufen haben. Das wäre doch alles Mist. Und dann stießen sie mit den Füßen gegen einen Haufen rot-weißer Baustellenbegrenzungen. Nun sind Politiker ja nicht nur Männer des Wortes, sondern manchmal auch Männer der Tat, insbesondere wenn die Hemmschwellen nach dem Genuß von Hochprozentigem gesunken sind. Kurzum: Solcherart entflammt und enthemmt machte sich Metz an den Begrenzungs-Blechhaufen. Gott, war das seinem Parteifreund Neumeyer peinlich. Und noch peinlicher war es, als Metz auch noch tatkräftige und kichernde Hilfe vom Linie 4-Befürworter Weber bekam.

Weber und Metz arbeiteten, Neumeyer machte sich davon. Es muß ein Bild für die Götter gewesen sein: Der CDU-Fraktionschef wackelt in Richtung „Galerie“, der Parlamentspräsident und der SPD-Fraktionsvorsitzende schwanken gut fünfzig Meter hinterdrein. Metz vorweg, wie ein Kreuzritter eine rot-weißes Baustellen-Gatter samt Blinklicht geschultert, und weil's so schwer war, half hinter ihm Weber beim Schleppen.

So erreichte Neumeyer die Gastwirtschaft. Auf die beiden anderen wollte er lieber nicht warten. Also ging er hinein und bestellte schonmal auf Vorrat drei Biere. Fünf Minuten vergingen – kein Metz, kein Weber. Wollte Neumeyer doch mal nachgucken, wo denn seine beiden Zechkumpane geblieben sind. Ging raus, und kriegte einen Mordsschrecken. Draußen stand ein Polizeiwagen, und zwei Beamte nahmen gerade Personalien auf, nämlich die von Weber und Metz. Weber stand bleich weil blitzernüchtert auf der Schwachhauser Heerstraße, als sich einer der Polizisten gerade zum Bürgerschaftspräsidenten umdrehte: „Herr Metz, nun zu Ihren Personalien.“

Unsere Politspitze, zu jedem Unfug bereit. Und Udo Jürgens ist ihr Prophet. „Der Teufel hat den Schnaps gemacht.“

Übrigens: Die Herren haben eine Anzeige bekommen, sagt die Polizei. Nach Paragraph 118, Ordnungswidrigkeitengesetz. Wegen „grob ungehöriger Handlung“.

Jochen Grabler