Für eine neue Handvoll Dollar

■ Neu im Kino: „Last Man Standing“ von Walter Hill / Ein sehr gelungenes Remake

Ein geheimnissvoller Fremder kommt in ein gottverlassenes Kaff, in dem zwei Verbrecherbanden gegeneinander Krieg führen. Er wechselt ständig die Fronten, hetzt die Kontrahenten geschickt gegeneinander auf und kämpft jeweils für den Meistbietenden, bis er durch einen Akt der Menschlichkeit selber in Gefahr gerät, zwischen den Fronten zerrieben zu werden. Ob Toshiro Mifune als Samurai, Clint Eastwood als Cowboy oder jetzt Bruce Willis als Gangster in der Prohibitionszeit – die Geschichte ist immer die gleiche, und vielleicht geht Akira Kurosawas „Yojimbo“ („Der Leibwächter“) aus dem Jahr 1961 als einziges Filmwerk in die Geschichte ein, bei dem die Remakes dem Original nicht hoffnungslos unterlegen sind.

„Eine Handvoll Dollar“ war der erste einer Handvoll von Western, mit denen Sergio Leone zu einem der letzten Neuerer des Genres wurde, und nun ist es Walter Hill, einem der hartgesottensten Regisseure Hollywoods gelungen, der Geschichte noch einmal einen anderen Dreh zu geben. So hat man zwar immer die beiden Vorläufer von Kurosawa und Leone vor Augen, aber das Gefühl des Déjà-vu drängt sich nie störend auf.

Statt dessen macht es Spaß, die Parallelen und Unterschiede zu entdecken, und Hill hat Details in den Film eingefügt, um die Cineasten kunstvoll auf falsche Fährten zu locken. Man erinnert sich etwa, daß Mifune ein rostiges Messer als einzige Waffe blieb,und wie Eastwood sich halbtot unter einem Holzsteg versteckte. Messer und Bohlen sind da, und Hill läßt die Kamera fast sinnierend auf ihnen ruhen, aber dann schickt er Bruce Willis doch in eine ganz andere Richtung.

An der nihilistischen Grundstimmung der Geschichte hat Hill nichts geändert, und einige Textzeilen seines einsamen Kämpfers sind zum Teil wörtlich von Kurosawa übernommen. Bruce Willis ist ein würdiger Nachfolger von Mifune und Eastwood, und mit Christopher Walken sowie Bruce Dern hat Hill ihm zwei hochkarätige und für einen Actionfilm ungewöhnlich ambivalente Kontrahenten in die Schußlinie gestellt.

Aber die brilliante Idee, durch die „Last Man Standing“ mehr wurde als nur ein Remake von einem Remake, war es, diese Geschichte eines Kampfes in einem apokalyptischen Zwischenreich auch in einem seltsamen Raum zwischen den Genres spielen zu lassen.

Das texanische Kaff Jericho an der mexikanischen Grenze ist eine typische Westernkulisse mit staubigen Straßen und einem korrupten Sheriff. Doch die Killer gehören zur Mafia, tragen Anzüge und schießen mit Maschinengewehren. Statt Pferden stehen Autos vor dem Saloon. Die Schießereien sind schließlich im halsbrecherischen Stil des Hongkong-Kinos eines John Woo inszeniert – mit Willis als einer aus beiden Händen mit Revolvern feuerspuckenden Kampfmaschine.

In einigen Einstellungen wird Bruce Willis ins Bild gesetzt wie auf einem Scherenschnitt, und dann sieht er mit Hut und eckigem Profil genauso aus wie Dick Tracy in der Comicserie aus den 30er Jahren. Walter Hill orchestriert all diese Genreeinflüsse und Stile so gewitzt und bildgewaltig, daß man nie die Nahtstellen bemerkt und den Film auch ganz eindimensional als professionell gemachtes Actionkino ansehen kann – mit einer Rate von Leichen pro Filmminute, die etwas über dem Durchschnitt liegt.

Anders als im Kunstkino, schlagen Regisseure wie Walter Hill dem Publikum ihre Originalität nicht ständig um die Ohren, aber Filme wie „Last Man Standing“ beweisen, daß man manchmal in den Untiefen des Genrekinos kunstfertige Variationen des vermeintlich Immergleichen finden kann. Auch hierbei hat Hill viel von Kurosawa und Leone gelernt.

Wilfried Hippen

im City und im UFA-Palast