■ Nachschlag
: Korrekt entschlackt: „Antigone“ auf der Ernst-Busch-Studiobühne

Auf der Studiobühne der Berliner Schauspielschule Ernst Busch in Prenzlauer Berg gab es am Freitag die Abschlußarbeit eines Regie- Duos zu sehen, das schon am Maxim-Gorki-Theater mit zwei ungewöhnlichen Inszenierungen auffiel: Tom Kühnel und Robert Schuster inszenierten „Antigone“ von Sophokles. Wer nun eine ambitionierte Schauspielschülerin als Heldin erwartet hatte, lag falsch. Kühnel und Schuster hatten sich darangemacht, den Ursprung der Tragödie einmal jenseits aller Seminartheorie zu erkunden. Theatergeschichtlich korrekt wurden die Frauenrollen von Männern gespielt.

So sah man sie wieder, die Tragödie der Antigone, die sich um die Staatsräson nicht schert, weil ihr das Recht der Schwester, einen Bruder zu bestatten, heiliger ist als das Recht des Staates, am Leichnam eines gescheiterten Eroberers ein Exempel zu statuieren. Deshalb muß sie sterben. Für den König, der auch Antigones Onkel ist, geht der Staat über Familie und Geschwisterliebe. Aber weil schon Sophokles sich auf die Seite Antigones stellt, stürzt ihr Tod König Kreon ins Elend. Sein Sohn, der Antigone heiraten wollte, bringt sich um. Und auch seine Frau, die Königin Eurydike.

Drei Schauspieler spielten neun Rollen. Hinter Masken (von Suse Wächter und Nicola Szersputowski), die jeden Charakter bis an die Grenze zur Karikatur auf eine Grundeigenschaft reduzieren, agierten Carsten Hübner, Christian Tschirner und Christian Weise in gelben Kostümen, von Claudia Mutze streng choreographiert. Antigone und Ismene, das Gesicht bis zum Schrei verzerrt. Kreon, ironisch überlegen. Haimon, sein Sohn, ein antiker Strizzi. Dem Boten hat sich die Angst vor der Macht schon in die Physiognomie gefressen. Der Seher Teiresias schließlich ist ein komischer Alter. Der Chor war wirklich einer: er sprach nicht bloß, er sang. In der Musik von Christine Schulz-Wittan ist das barocke Rezitativ mit irischer Volksmusik eine ziemlich suggestive Verbindung eingegangen.

„Besonnen, klug und vernünftig zu handeln, / Die ewigen Gesetze zu halten / Ist schwer. / Wer für maßloses Handeln gestraft wird, / Lernt endlich vernünftig zu sein.“ Der Schluß des Sophokles klang in Soeren Voimas Übersetzung nach Brecht. Denn Vernunft zu lehren ist so ziemlich das letzte, worum es der Tragödie geht. So spielt sich der Ausflug in die Theatergeschichte einen Streich, statt die Geburt der Tragödie zu demonstrieren. Aber das ist ja auch was. Esther Slevogt