Kartellamt klopft Herlitz auf die Finger

■ Der Konzern hat sich die niedersächsische Papierfabrik Landre unter den Nagel gerissen und beherrscht nun den Markt. Nach einer Hausdurchsuchung will das Kartellamt die Übernahme verbieten

Bei seiner Expansion gerät der Herlitz-Konzern in Konflikt mit dem Kartellgesetz. Rund zehn Unternehmen hat die Papierfirma seit 1990 ganz oder teilweise gekauft. Doch jetzt wird das Bundeskartellamt in Berlin aktiv. Die Aufsichtsbehörde schickte Herlitz eine Abmahnung, um den Kauf des Papierwarenherstellers Landre im niedersächsischen Gronau rückgängig zu machen. Von Aufkäufen durch den Springerkonzern abgesehen, sind derartige Eingriffe des Kartellamtes gegen Berliner Unternehmen höchst selten. Doch Herlitz hat nach Meinung der Behörde jetzt einen „marktbeherrschenden Einfluß“ erlangt.

In einigen Segmenten wie Schulhefte, Zeichenblocks und Briefpapier, kritisierte das Bundeskartellamt, mache die Firma inzwischen über 50 Prozent des gesamten Umsatzes in der Bundesrepublik. Damit können die Preise diktiert und die Konkurrenz kann ohne großen Aufwand aus dem Feld geschlagen werden. Die wenigen Mitbewerber halten dagegen jeweils weniger als zehn Prozent des Umsatzes.

Herlitz hat bis Ende November Zeit, gegenüber der Aufsichtsbehörde Stellung zu nehmen. Kartellamtssprecher Eicke Saksofsky geht davon aus, daß seine KollegInnen die Fusion mit Landre zu Jahresbeginn untersagen werden. Dann kann Herlitz die Gerichte anrufen. Ob die beiden Firmen später tatsächlich wieder entflochten werden, steht deshalb noch in den Sternen.

Erste Gerüchte über die Übernahme der Papierfabrik unweit der Stadt Hildesheim waren dem Amt bereits 1993 zu Ohren gekommen. Doch man hatte keine Beweise. Die fielen den AufseherInnen erst in diesem Jahr bei Hausdurchsuchungen mehrerer Papierfirmen, darunter auch Herlitz, in die Hände. Die gefundenen Papiere zeigten, daß die Berliner die Niedersachsen mit Hilfe eines zwischengeschalteten Vermittlers übernommen hatten. Im Juni 1996 kaufte Herlitz das Unternehmen Landre dann offiziell.

Die kleine Firma ist für den Konzern interessant, weil sie den Fachhandel beliefert, erklärt Herlitz-Sprecher Immo von Fallois. Bei hochwertigem Papier und Spezialheften habe Herlitz ohne Landre schlechte Karten. Der große Bruder braucht die kleine Tochter aber nicht unbedingt. Während Herlitz mit seinen 5.000 Beschäftigten in diesem Jahr knapp zwei Milliarden Mark Umsatz machen wird, kommt die niedersächsische Firma gerade mal auf 72 Millionen Mark. Auch der Gewinn, den die Gronauer beisteuern, fällt mit einer Million Mark eher mager aus.

Herlitz, einer der größten Berliner Betriebe, hat Jahre stürmischen Wachstums hinter sich. Seit 1977 verzehnfachte man die Zahl der Beschäftigten und expandierte unter anderem nach Rußland. Mit risikoreichen Immobiliengeschäften in Tegel und Spandau fuhr der Konzern aber Verluste von bis zu 190 Millionen Mark ein. Hannes Koch