■ Kommentare Tschechische Waren müssen konkurrenzfähiger werden
: EU-Paradies für alle

Heute gibt es keine Zweifel mehr daran, daß die Tschechische Republik in absehbarer Zeit einen der wichtigsten Schritte in ihrer neueren Geschichte unternehmen wird: den Beitritt zur EU. Um die Ergebnisse, die diese Eingliederung mit sich bringt, beurteilen zu können, müssen wir zunächst die wirtschaftliche und politische Ausgangssituation Tschechiens rekapitulieren. Ich bin der Meinung, daß die EU-Mitgliedschaft den beitretenden Ländern Vorteile, aber zum Teil auch Nachteile bringt. In diesem Zusammenhang sollte man sich bewußt sein, in welchem Stadium der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung sich Tschechien befindet und damit seine starken und schwachen Seiten enthüllen. Dieses ist vor allem deshalb wichtig, weil Tschechien eines der ersten Ziele der geplanten EU-Erweiterung sein wird und somit auch Vorbildcharakter hat.

Die wichtigen makroökonomischen Daten wie Inflationsrate, Arbeitslosigkeit oder das Wachstum des Bruttoinlandprodukts sind in Tschechien, insbesondere vor dem Hintergrund eines langzeitlich ausgeglichenen Staatshaushalts, die günstigsten von allen sich transformierenden Wirtschaftssystemen der ehemaligen Ostblockstaaten. Erst in letzter Zeit ist das Außenhandelsdefizit ein Problem geworden; es wurde durch die wachsende Binnennachfrage und das in letzter Zeit rückläufige Wirtschaftswachstum der größten Handelspartner hervorgerufen.

Den größten Vorteil einer Eingliederung Tschechiens in die westeuropäischen Strukturen sehe ich in der Steigerung der Investitionsaktivitäten des Westens und der Öffnung eines neuen Markts für unsere Produkte. Es wäre aber illusorisch zu denken, daß die enge Verbindung mit den entwickelten Wirtschaftssystemen nur positive Folgen haben wird. Auch unser Markt wird sich westlichen Waren öffnen, denen unsere heimischen Produkte, insbesondere was das Marketing betrifft, die Stirn bieten müssen. Die tschechischen Erzeugnisse müssen ihre Konkurrenzfähigkeit beweisen. Als warnendes Beipiel sollte da die Vereinigung Deutschlands dienen. Dort konnte sich ein Großteil der Unternehmen der früheren DDR nicht behaupten, was ihren Zusammenbruch und eine daraus resultierende stark steigende Arbeitslosigkeit zur Folge hatte. Zudem müssen wir uns bewußt sein, daß Tschechien keine reiche „Schwester“ hat, die für uns bei der Aufnahme in die EU ein Rettungskissen mit Deutschmark bereithält. Wir dürfen nicht zulassen, daß die EU ein Paradies für starke und große Unternehmen und ein Friedhof für kleine Firmen wird. Marek Vich

Der Autor ist Wirtschaftsredakteur der tschechischen Presseagentur ÇTI.