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■ QuerspalteDie unlösbaren Probleme

Unter den unlösbaren Problemen dieser Welt gilt mir dieses als das schwierigste: Wie kommt es, daß, obwohl ich vorher kräftig auf die Zahnpastatube gedrückt und deren Inhalt vermischt habe, doch immer wieder die Paste in drei sauber voneinander getrennten Farben auf meiner Zahnbürste erscheint? Ich habe viel darüber nachgedacht, aber ich weiß einfach keine Lösung.

So hat eben jeder sein unlösbares Problem. Herr Adalbert Weinstein zum Beispiel, der hin und wieder in der mir ebenso als „unlösbares Problem“ erscheinenden Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt, hat ein ganz anderes solches: ob die deutsche Wehrmacht unschuldig oder mitschuldig an den deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg war (zu lesen in der FAZ vom 4. November).

Bei manchen Zeitgenossen ist man ja schon dankbar, wenn sie die Beteiligung an der Endlösung überhaupt als „Problem“ erkennen, ganz zu schweigen von der Lösung dieser Endfrage. Daß allerdings historisch nur kurz zurückliegende Ereignisse als unlösbare Rätsel in die Geschichtsschreibung eingehen sollen, beleidigt dann doch meinen allmorgendlichen Forscherdrang mit der Zahnpasta. Adalbert Weinstein kam zu diesem Schluß, nachdem er ein Buch des Journalisten und ehemaligen Wehrmachtsleutnants August Graf von Kagenbeck gelesen hatte, das soeben in Frankreich erschienen ist. Darin tanzt der Graf den bekannten deutschen Eiertanz, wonach der gewöhliche deutsche Landser an der Ostfront ja irgendwie gar nicht recht verstehen konnte, was da um ihn herum an Seltsamkeiten passierte.

Vom „klaglosen Heldentum“ schreibt Weinstein in seiner Buchbesprechung, von „glänzenden Soldaten im Felde bewährt“, von „Soldatenehre“, und er spricht von der Kapitulation als einer „Katastrophe“. Mir scheint, manche Menschen kann man ein Leben lang drücken, und doch kommen immer nur dieselben Streifen oben heraus. Vielleicht auch ein unlösbares Problem. Philipp Maußhardt

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