Den Werften droht der „Sekundentod“

■ Zahnärzte fürchten den fehlenden Steuervorteil, Werften die Pleite: Die Bundesregierung will diese Woche Steuervorteile für Schiffsbeteiligungen kappen

Bremen (taz) – Bei den Schiffbauern zwischen Emden und Usedom regiert die blanke Angst. Mit dem geplanten Jahressteuergesetz könnte der Bund den Schiffbau an der deutschen Küste endgültig in den Ruin treiben. Den „Sekundentod der deutschen Werften“ fürchtet Volkhard Meier, Geschäftsführer des Hamburger Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik.

Besonders die mit Milliarden- Subventionen aufgepeppelten Werften in Mecklenburg-Vorpommern würden die Kürzung der Steuervorteile für Schiffsneubauten nicht überleben, so das einhellige Urteil der Experten. Den Koalitionspolitikern in Bonn werfen Schiffbauer, Reeder, Gewerkschafter, Anlageberater und Politiker aus den Nordländern einmütig „Ahnungslosigkeit“ vor. Spätestens im Vermittlungsausschuß müsse der SPD-dominierte Bundesrat das Vorhaben stoppen. Ansonsten drohe eine Katastrophe.

Steuerschlupflöcher für Reiche sollten gestopft werden. Deshalb hatte der Bundestags-Finanzausschuß gegen die Stimmen der SPD beschlossen, rückwirkend zum 1. Januar 1996 die Abschreibungsmöglichkeiten und Verlustvorträge für Schiffsbeteiligungen zu kürzen. In den letzten Jahren hatten wohlhabende Zahnärzte und Manager diese Möglichkeit genutzt, eine Auftrags-Bonanza auf den Werften der Welt zu entfachen. Jeder fünfte der weltweit georderten 2.500 Schiffsneubauten hat deutsche Auftraggeber. Der Deal ist simpel: Reeder lassen sich das Eigenkapital für einen Schiffsneubau von spezialisierten Fonds- Vermittlern unter Leuten zusammensuchen, die sonst Spitzensteuersätze zahlen müßten. Wer sich mit 100.000 Mark an einem Schiff beteiligt, muß tatsächlich real nur 20.000 Mark aufbringen. Den Rest stundet das Finanzamt von der Steuerschuld.

Die Fonds sind gern gesehene Kunden auf Werften in Korea, Polen oder Deutschland. Weil die Anleger ihr Geld schnell loswerden müssen, zahlen sie die bestellten Schiffe großzügig an. Keine Werft kann es sich leisten, ein 100 Millionen Mark teures Containerschiff vorzufinanzieren. Die Reeder fordern schon länger, die Steuervorteile zu beschneiden.

Denn viele Schiffe würden nur als Abschreibungsobjekte geordert. Das brächte Verzerrungen im Schiffahrtsmarkt und sinkende Frachtraten mit sich. Doch den rückwirkenden Eingriff in laufende Verträge hält man auch beim Verband Deutscher Reeder (VDR) für einen „Exzeß“: „Kein Mensch wird noch eine Mark in solche Schiffsfonds einzahlen“, ärgert sich VDR-Justitiar Hans- Heinrich Nöll. Im Gegenteil: Wenn die Anleger nicht die von den Emissionshäusern versprochenen Renditen bekommen könnten, würden viele Kommanditisten aussteigen. Neue Aufträge könnten nicht angezahlt werden, die Werften gerieten in die Liquiditätskrise.

Verschärfend kommt hinzu, daß die deutschen Werften die Reeder mit sogenannten „Plazierungsgarantien“ ködern müssen, um ihre im Vergleich zur Konkurrenz in Polen und Fernost höheren Produktionskosten auszugleichen. Die Werften sichern dem Kunden das Risiko ab, nicht genügend kapitalkräftige Anleger für seinen Fonds zu finden. „Ohne eine solche Garantie vergibt niemand einen Auftrag an deutsche Werften“, sagt Thomas Völkers, Chef von HCI, größtes deutsches Emissionshaus für Schiffsbeteiligungen in Jork bei Hamburg.

In den schiffbauenden Küstenländern wird bezweifelt, ob das geplante Gesetz überhaupt Geld in Theo Waigels leere Kasse bringt. Die Besserverdienenden und Wohlhabenden sparen nach Waigels eigenen Zahlen 70 Millionen Mark an Steuern. Als Bedinguung für diese Vergünstigung müssen die bestellten Schiffe dann aber für vier Jahre unter deutscher Flagge fahren.

Außerdem zögen die Investitionen der Steuersparer weiteres Kapital nach sich. „Wir haben 1995 eine Milliarde Mark eingesammelt und damit vier Milliarden Mark an Schiffbau-Investitionen losgetreten“, sagt Völkers. Die Mehrheit der vom deutschen Finanzamt zugunsten der Wohlhabenden subventionierten Aufträge geht allerdings an ausländische Werften. Das kritisiert besonders die IG Metall, läßt sich nach Ansicht von VDR-Justitiar Nöll jedoch kaum verhindern. „Dagegen sprechen die Vorgaben der Welt-Handelsorganisation“. Joachim Fahrun