Krach um „Torfsturm“

■ Linke und Rechte streiten um neuen Bremer Film / Regisseurin Dagmar Gellert zwischen allen Stühlen

Der Bremer Film „Torfsturm - eine rechte Jugendclique“ hatte am Freitag im Kino 46 Premiere. Die Regisseurin Dagmar Gellert versucht in ihrem Film zu ergründen, warum Jugendliche sich in rechts orientierten Cliquen organisieren. Gellert hat dabei den Schwerpunkt auf die inneren und äußeren Befindlichkeiten einer Findorffer Clique gelegt.

Das Kino 46 hatte drei Vorstellungstermine, mit anschließender Diskussion, geplant. Leider blieb es während der zweiten Vorstellung am Montag abend nicht bei der Diskussion. Eine Gruppe von ca. 40 jungen Antifaschisten versuchte, den Film zu stören. Das konnten die VeranstalterInnen jedoch verhindern und zumindest im Kino habe es keinen weiteren Streß gegeben, so Karl-Heinz Schmid vom Kino 46. „Die Antifa-Leute haben in der anschließenden Debatte diszipliniert mit- diskutiert.“ Draußen allerdings kam es zu Handgreiflichkeiten gegen den Neonazi-Aktivist Henrik Ostendorf, als dieser ins Kino wollte. Ostendorf verflüchtigte sich und kam kurze Zeit später mit Polizisten zurück; ein Jugendlicher aus der Antifa-Gruppe wurde festgenommen. Drinnen ging derweil die Diskussion um den Film zu Ende und die Antifas machten sich in kleinen Gruppen auf den Heimweg. Dort seien sie von einer rechten Gruppe Vermummter angegriffen worden, berichtete ein Antifa-Aktiver. In der Folge kam es, laut Aussage der Polizei, zu weiteren fünf Festnahmen. Zu welcher der beiden Gruppen die Festgenommenen, die alle mit Knüppeln bewaffnet waren gehören, wußte ein Polizeisprecher gestern nicht zu sagen.

Die Filmemacherin Dagmar Gellert indes sieht sich der massiven Kritik von rechts und links ausgesetzt. „Von den Rechten bin ich angepfiffen worden, weil ich denen klar gesagt habe, daß ich ihre Gewalt nicht akzeptiere. Von den Linken höre ich, daß der Film den Nationalsozialismus bagatellisiert.“ Gellert will den Rechtsradikalismus nicht verharmlosen.

Mit dem Film will sie erreichen, daß die „Normalität“ der rechten Szene begriffen wird: Jugendliche, die die Sicherheit des ganz bürgerlichen Lebens suchen, die einerseits zu Hause kuschen und andererseits auf der Straße auf ihre vermeintlichen Feinde einprügeln. Den rechts- und linksorientierten Gruppen bietet der – so scheint es – eine willkommene Plattform für Feindbilder. Denn in diesen Kampf-Ritualen geht es nicht mehr um das tiefere Verständnis von Gruppenphänomenen, Gewaltbereitschaft, Lebensbrüchen und Orientierung. Da geht es um die alten Haßobjekte und die jeweils eigene politische Wahrheit.In einem Flugblatt richtete die Antifa-Gruppe massive Vorwürfe gegen das Konzept der „akzeptierenden Jugendarbeit mit rechten Cliquen“. Neonazi-Gruppen würden stabilisiert , so heißt es. „Dieser Vorwurf ist so alt, wie unser Projekt“, sagt Wolfgang Welp, Mitarbeiter des Vereins für akzeptierende Jugendarbeit. Der Sozialarbeiter betreut mittlerweile schon die „zweite Generation“ von rechtsorientierten Jugendlichen in Bremen. „Mit bekämpfenden Parolen kommen wir da nicht weiter, das verhärtet die Fronten. Wir versuchen erst mal einen Zugang zu den Jugendlichen zu bekommen.“ Offenbar mit Erfolg: ca. 90 Prozent der betreuten Rechtsorientierten verlassen die Szene vor ihrem 20. Lebensjahr. J.G./hoff