■ Schlagloch
: Danke! Vielen Dank! Danke! Von Nadja Klinger

„Frauen muß man besser behandeln“

Motto einer Fernsehtalkshow von Bärbel Schäfer, RTL, Oktober 1996

Natürlich stimmen Sie obenstehendem Satz zu. Sie haben keine Bedenken. Sie sind für Emanzipation.

Die ganze Bundesrepublik ist für Emanzipation! Zwar klappt es mit der Frauenförderung noch nicht so richtig, aber das Land flippt vor Freude aus, wenn sich eine Frau dort in der Öffentlichkeit zeigt, wo gewöhnlich nur Männer zu sehen sind. Die Frau an sich ist schon der volle Erfolg, da kann sie sagen und machen, was sie will. Am Freitag abend zeigte sich Giovanni di Lorenzo in der Talkshow auf N3 schwer beeindruckt von der Karriere der Bundesfrauenministerin Claudia Nolte. Zur Erinnerung an die Jahre, in denen sie noch nicht soviel arbeiten mußte, spielte er der Ministerin ihre alte Lieblingsband vor. „Ah, Sting!“ rief Frau Nolte begeistert, und ihre Augen leuchteten. Die Ehrung war schiefgegangen. Es war ACDC.

Auch jetzt gibt's für Sie wieder etwas zum Zustimmen. Irgendwer hat ein paar Zahlen ausgegraben: 28 Prozent der JournalistInnen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind weiblich, bei den Privaten sogar 41,5 Prozent. Die Presse freut sich. „Frauen haben nahezu alle Programmbereiche erobert“, schreibt die Zeitschrift der IG Medien. Sie „werden vom Publikum akzeptiert – und erobern sich einen Zukunftsmarkt“, schreibt Die Zeit. Eine Frau, ein Wort – und das Fernsehen der Männergesellschaft verändert sich? Als vor gut einer Woche die große Journalistin Franca Magnani starb, zitierte das ZDF sie mit den Worten, die sie vor vielen Jahren einmal gesagt hat: „Was die Männer können, das können wir Frauen allemal.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Es stimmt. Und die Frauen sind auch noch stolz darauf.

„Danke! Vielen Dank! Danke!“ ruft Vera Int-Veen (Sat.1), als sie vor ihr wie verrückt klatschendes Studiopublikum tritt. Dann setzt sie ein Gesicht auf, wie wir es von ihren männlichen Kollegen schon kennen. Es paßt zum Thema ihrer Talkshow und kann sich je nach Stimmung im Studio beliebig verändern. Heute erzählt als erstes Herr Stache, wie er mit dem Eispickel auf seine Frau eingestochen hat. Vera Int-Veen schleppt sich an den Mann heran, als ob sie gerade verblutet. „Würden Sie das noch einmal tun?“ fragt sie. „Ja“, antwortet Herr Stache. Der nächste Gast zeigt mit zwei gespreizten Fingern, wie tief er ein Küchenmesser in die linke Brust seiner Frau gestoßen hat. „An Sie habe ich dieselbe Frage wie an Ihren Kollegen“, sagt Vera Int-Veen.

Auch Bärbel Schäfer (RTL) trägt das passende Gesicht. Vor ihr sitzen Frauen, die unromantische Männer geheiratet haben. „Wenn Kerzen brennen, fragt er mich, ob Stromausfall ist“, klagt Gerlinde. „Was könnten Sie tun?“ überlegt Bärbel Schäfer laut. Vielleicht kann die Ehe mit Hilfe des Fernsehens ja noch gerettet werden.

„Bringen Sie ihr Blumen mit. Ein paar Gänseblümchen wachsen doch überall“, rät die Moderatorin dem Ehemann von Nicola, dem scheinbar auch die Scheidung bevorsteht. Doch der schert sich einen Dreck um die gute Tante Bärbel. „Blumen wandern drei Tage durch die Wohnung und dann in den Müll“, antwortet er.

Bei Arabella Kiesbauer (Pro7) brüllen lauter Hausfrauen durcheinander. Sie sind sich nicht einig, ob Hausarbeit schön oder doof ist. Zum Glück kann Arabella, deren Name sich zwar auf Cinderella reimt, die aber im Fernsehen zu Hause ist, den Streit schlichten. Sie bittet Else Kling aus der „Lindenstraße“ ins Studio. Und alle Hausfrauen stehen still. Kurz darauf ist bei Ilona Christen (RTL) schon alles verloren. Christina und Ozi sind geschiedene Leute. Er wollte, daß sie außer ihm keine Freunde hat. „Schade“, sagt Ilona Christen.

Jetzt sage ich Ihnen mal was: Man sollte Frauen prinzipiell nicht besser behandeln. Es könnten die falschen sein. Die nennen sich anspruchsvoll Frauen, wenn es um die Frauenquote geht, und tun ohne Ansprüche die Arbeit der Männer, sobald die Einschaltquote gefragt ist.

Falsche Frauen sind wie falsche Fuffziger: Sie geben sich als was aus, sind aber nichts wert. Sie sagen an, was angesagt werden muß. Sie geben aus, was ausgegeben werden muß. Sie würden für alles herhalten. Im günstigsten Fall sogar für ein Frauenthema. Wo sie im Fernsehen auftauchen, lenken sie uns von den Problemen auf die Effekte ab. Sie wollen uns süchtig machen nach Betrügern, losgelassenen Kampfhunden und toten Pizzabäckern, nach Männern, die ihre Frauen mit Spiritus übergießen und dann kein Streichholz zum Anzünden finden, nach kleinen Jungen, die Omas killen, und nach Killern, die im Regionalexpreß Fahrgästen die blöden Gesichter wegpusten. Sogar nach ganz banalem Sex wollen sie uns süchtig machen, wo wir doch alle wissen, daß es besseren Sex gibt.

Die falschen Frauen im Fernsehen haben viel Geld. Was sie meinen läßt, sie hätten viel Erfolg. Sie müssen keine Quotenqueen sein – sie sind es gern. Sie belächeln, wie Barbara Eligmann (RTL), die „verknöcherten Herren der Öffentlich-Rechtlichen“ und nutzen ihre Freiheit dazu, sich das Denken zu ersparen.

Sie haben keine Vorstellung davon, was sie anders machen sollten als die Männer.

Kommt doch mal so etwas wie schlechtes Gewissen auf, dann lassen sie es mit dem „Flieger“ ganz schnell hinter sich. Die Wahrnehmung für Schwachsinn schwindet schnell, wenn man ihm jeden Tag nachgeht.

Falsche Frauen sind blauäugig wie Michaela Papke („Die Redaktion“, RTL2). Die präsentiert eine Frau, die nach einem Bergunfall im Rollstuhl gelandet ist, wie das Ende der Welt. Michaela Papke kämpft jeden Donnerstag den vergleichsweise ärmlichen Kampf um Zuschauer gegen die steinreiche Margarethe Schreinemakers, die zur selben Zeit auf Sat.1 sendet. So fügt es sich, daß auch sie eine Frau im Rollstuhl zu Gast hat. Nur daß sich bei der Frau der Fallschirm nicht geöffnet hat. So kann's kommen.

Mit jedem Mann sind wir besser dran als mit einer falschen Frau. Mit jedem Mann wissen wir, woran wir sind. Mit jeder falschen Frau erliegen wir dem trügerischen Schein, alles sei, wie es ist, ganz in Ordnung. Wenn man weltabgewandt und belanglos ist, wird man erfolgreich, zeigen sie uns im Fernsehen. Wenn das im Leben auch so geht, dann können wir uns unsere Emanzipationsprobleme ganz einfach abschminken.

Natürlich gibt es im Fernsehen auch Frauen, vor denen nicht gewarnt werden muß: Maria von Welser (ZDF), Gisela Zimmer (ORB), Liane von Billerbeck (ORB) zum Beispiel. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber die Regel bestimmt, wo's langgeht.

„Hier, wo ich stehe, ist es geschehen“, sagt die RTL2-Reporterin. Wir sehen außer ihr nichts. „Ich werde versuchen, mit dem Betrüger zu sprechen“, kündigt sie an und klingelt an einer Tür. Wir können nur hoffen, daß keiner aufmacht. Daß nie mehr einer aufmacht. Daß die Reporterin allein und verlassen dasteht und eventuell zur Besinnung kommt. Oder daß Herr Stache das mit dem Eispickel noch einmal tut.