Verwüstet und geplündert

■ Tutsi-Rebellen kontrollieren die zerstörte zairische Grenzstadt Goma. Von den Hutu-Flüchtlingen fehlt jede Spur

Goma (taz) – Goma bietet ein Bild der Verwüstung. Viele der zwei- bis maximal dreistöckigen Häuser sind zerstört, Geschäfte geplündert. Überall fliegt Papier herum, die wertlose zairische Währung flattert durch die Straßen, Münzen liegen im Straßengraben. Nach heftigen Kämpfen mit der zairischen Armee wird die Stadt und ihre Umgebung von den Tutsi-Rebellen Banyamulenge kontrolliert. Die hatten am Montag eine Waffenruhe erklärt – seitdem wird nicht mehr geschossen. Seit gestern dürfen Journalisten in die Stadt.

Die zairische Armee ist geflüchtet. Nur vereinzelt laufen Menschen auf der Straße, sie tragen Pappkartons auf dem Kopf. Hunderte drängen sich dagegen vor dem ehemaligen Lager des UNHCR. Die Tutsi-Rebellen vergeben die letzten Lagerbestände. Matten, Kochtöpfe und Seife. Sie verteilen Wasser an die Bevölkerung. „Wir haben jetzt eine neue Regierung“, erklären einige der Zairer. Mehr aber wollen sie nicht sagen. Die Rebellen halten sich zumeist in der Nähe auf. Die Leute sind verängstigt, aber auch froh, daß die Kämpfe endlich aufgehört haben.

Die zurückgelassenen Jeeps des UNHCR, die nicht von den flüchtenden zairischen Soldaten konfisziert wurden, haben die Eroberer übernommen. Hin und wieder fährt ein Wagen voller bewaffneter Tutsi-Rebellen durch die Straßen und scheucht die Menschen durch die Gegend. Viele der Banyamulenge tragen keine Uniform.

Von den rund 700.000 Flüchtlingen, die in mehreren Flüchtlingscamps rund um Goma lebten, ist nichts zu sehen. Angeblich befinden sich einige am Rande der Stadt in einer Kathedrale. Die meisten von ihnen sind in die über 20 Kilometer entfernten Wälder der Umgebung gen Westen geflüchtet, in Richtung Sake, wo die grünen Hügel Zaires beginnen.

Über die Anzahl der Toten oder Verletzten gibt es keine Angaben. Lediglich einige freiwillige zairische Helfer des Roten Kreuzes berichten, sie hätten in den vergangenen Tagen rund 200 Leichen, vorwiegend Männer, aus dem Zentrum der Stadt getragen und in einem Massengrab auf dem Friedhof beerdigt. Doch dorthin können die Journalisten nicht kommen. Ihr Radius beschränkt sich auf Goma, die Front zu Zaire verläuft westlich davon.

Die ruandischen Hutu-Flüchtlinge, die sich hinter der Front der Banyamulenge befinden, können vorerst keine Hilfe erwarten. Der Sprecher des UNHCR im ruandischen Gisenyi, das gegenüber von Goma liegt, sagte gestern, die Helfer wären jederzeit bereit, wieder nach Goma zu gehen. Doch noch am Montag abend hätte die Zentrale in New York abgewiegelt. Zaire hat bislang Verhandlungen abgelehnt und damit eine schnelle Lösung des Flüchtlingsproblems verhindert. Aber auch Ruanda will möglichst eine Militärintervention zugunsten der Flüchtlinge verhindern.

Bisher können Journalisten nur einen oberflächlichen Eindruck von der Lage erheischen. Sollte die Frontlinie in den nächsten Tagen geöffnet werden, wird das Ausmaß der humanitären Katastrophe erkennbar werden. Der UNHCR glaubt, daß die Flüchtlinge – ohne Nahrung, Wasser und Medikamente – sich in einem äußerst kritischen Zustand befinden. Epidemien sind vorhersehbar, ob ein Massensterben schon eingetreten ist, weiß keiner – nur die zairische Armee, auf deren Seite die Flüchtlinge sich jetzt befinden. Caroline Schmidt-Grom