Bayer sieht seine goldene Zukunft in Übersee

■ Konzern macht Rekordgewinne im Ausland und will nur noch dort investieren

Leverkusen (taz) – Das Geschäftsjahr 1996 wird für den Chemiekonzern Bayer AG ein „Rekordjahr“, wie Vorstandschef Manfred Schneider gestern auf der Herbstpressekonferenz in Leverkusen stolz verkündete. Der Konzernumsatz konnte im Vergleich zum Vorjahr schon bis Ende September 1996 um sieben Prozent auf 36 Milliarden Mark gesteigert werden. Und der Gewinn nach Steuern betrug nach den ersten drei Quartalen bereits 2,3 Milliarden Mark – achtzehn Prozent mehr als am gleichen Stichtag 1995.

Mit diesem Rekordumsatz und Rekordgewinn beschert Bayer den AktionärInnen wohl eine Rekorddividende von etwa 16 Mark. Daß damit die von Schneider larmoyant vorgetragene Klage über zu hohe Personal- und Lohnnebenkosten in Deutschland nicht harmoniert, fiel dem Vorstandsvorsitzenden dann selbst auf. Gute oder sogar wachsende Unternehmergewinne, sagte Schneider erklärend, dürften aber nicht den Blick für die Notwendigkeit verstellen, den „Hochkostenstandort Deutschland“ endlich fit für den internationalen Wettbewerb zu machen. „Wir brauchen dringend weitere Kostenentlastungen und noch mehr Flexibilität, um die vorhandenen Arbeitsplätze sichern zu können“, sagte der Vorstandsvorsitzende.

Tatsächlich konnte der Bayer- Konzern in Deutschland und auch an den anderen europäischen Standorten mit einem Plus von zwei Prozent kaum noch Umsatzsteigerungen erzielen. Exorbitante Umsatzraten und damit auch Gewinne werden – wie auch bei Hoechst – vor allem in Nord- und Südamerika und in Asien erzielt. Um 19 Prozent etwa hat Bayer seinen Umsatz in den USA und in Kanada gesteigert. In Mexiko konnte gar eine Rekordzuwachsrate von 40 Prozent erzielt werden. Das Auslandsgeschäft hat damit für den Gesamtkonzern um neun Prozent zugenommemn. Der Inlandsumsatz sei dagegen um ein Prozent gesunken. Das Umsatzwachstum stamme zu einem großen Teil aus Akquisitionen.

Besonders im Asiengeschäft habe sich der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fortgesetzt, sagte Schneider zufrieden. Dort wird Bayer auch gezielt investieren: In Thailand, Taiwan und Indien, China, Indonesien und Singapur. 1998 wird Bayer die komplette Produktion von Chromsäure und Natriumdichromat nach Südafrika verlagern und gleichzeitig die nicht mehr wirtschaftliche Herstellung dieser Produkte in Leverkusen aufgeben.

Angesichts der „tiefgreifenden Veränderungen der internationalen Märkte“, so Schneider, habe Bayer seine strategische Ausrichtung modifiziert. Bayer will „in einem mittelfristigen Zeithorizont“ das weltweit führende „integrierte Chemie- und Pharmaunternehmen“ werden. Der Konzern konzentriert sich damit auf die Kernaktivitäten Gesundheit, Landwirtschaft, Polymere (Kunststoffe) und Chemiespezialitäten. Und für die zukünftige Wohlfahrt von Bayer hat Schneider „klare, meßbare und machbare Kriterien“ festgelegt: „Eine Umsatzrendite von 15 Prozent, eine Eigenkapitalrendite von 20 Prozent und einen Cash-flow, bezogen auf das investierte Kapital, von über elf Prozent. Daß auch dem Weg dorthin weitere Arbeitsplätze vor allem in Deutschland abgebaut werden müßten (1996: 2.660), räumte Schneider freimütig ein – „aber alles sozialverträglich“. Klaus-Peter Klingelschmitt