Kein Geld für den Aufschwung

DIHT prognostiziert mageres Wachstum und 150.000 Jobs weniger für 1997. In den öffentlichen Kassen fehlen zusätzlich 20 Milliarden Mark  ■ Von Hermann-J.Tenhagen

Berlin (taz) – Weniger Jobs und mehr Haushaltslöcher hat der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) gestern für die deutsche Wirtschaft 1997 prophezeit. Bei der traditionellen Herbstumfrage unter 25.000 Unternehmen ergab sich ein eher düsteres Bild der Wirtschaftsentwicklung. Die Wirtschaft werde im kommenden Jahr zwar wachsen – aber nur um magere 1,5 Prozent. Zusätzlich 150.000 Arbeitsplätze werden in Deutschland verloren gehen.

Besonders mies sei die wirtschaftliche Entwicklung im Osten. Im Westen könnte sich das Wachstum allenfalls noch auf zwei Prozent aufschwingen. Mit einem Wachstum von zwischen einem und drei Prozent verbessert sich die Situation des Ostens gegenüber dem Westen überhaupt nicht mehr. Im Osten werde im Gegenteil ein neuer Tiefpunkt erreicht, so DIHT-Hauptgeschäftsführer Franz Schoser gestern. So sehen es auch die ostdeutschen Unternehmer: Ein Viertel von ihnen beurteilt die eigene wirtschaftliche Lage als schlecht.

Düster ist das Bild, das die Unternehmen von der Zukunft zeichnen, auch im Vergleich mit anderen aktuellen Prognosen. In der vergangenen Woche hatten die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten noch 2,5 Prozent Wachstum für 1997 vorausgesagt.

Wirtschaftsforscher sehen eine kleine Katastrophe

Bei den Instituten ist man angesichts der DIHT-Umfrage deutlich ins Grübeln gekommen. „Wir waren vielleicht doch zu optimistisch“, sagte Heiner Flassbeck, Konjunkturforscher am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gestern der taz. Bei den Ausrüstungsinvestititonen für die Industrie habe man für das Herbstgutachten eine Steigerung um magere vier Prozent angenommen – „eigentlich schon viel zu wenig für einen Aufschwung“, so Flassbeck. Wenn der DIHT jetzt von einer Stagnation bei den Unternehmensinvestitionen ausgehe, dann sei das „eine kleine Katastrophe“.

Beunruhigend findet Flassbeck auch die neuesten Zahlen aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Das Rexrodt-Ministerium hatte am Montag neue Daten über die Entwicklung des produzierenden Gewerbes vorgelegt. Ergebnis: Mit der Wirtschaft geht es bergab statt bergauf. Die Industrie hat im September 3,6 Prozent weniger Aufträge bekommen als im August.

Sorgen muß sich nach den Zahlen des DIHT auch Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) machen. Waigel rechnet für 1997 immer noch mit 2,5 Prozent Wachstum. An anderen hypothethischen Berechnungen wolle sich das Ministerium nicht beteiligen, so ein Sprecher gestern.

Kein Wunder: Ein Prozent weniger Wachstum, wie vom DIHT jetzt vorausgesagt, bedeutet nämlich ein Minus von rund zwanzig Milliarden Mark für die öffentlichen Kassen. Zwölf der zwanzig Milliarden werden den Sozialversicherungen (Arbeitslosen-, Renten-, und Krankenversicherung) fehlen, ein Teil fehlt in den Kassen von Ländern und Kommunen, und Waigels Finanzbeamte würden noch einmal rund vier Milliarden Mark weniger einnehmen.

Günter Albrecht, Chefvolkswirt beim DIHT, fordert jetzt klare finanzpolitische Entscheidungen. Waigel werde noch mehr Löcher finden, „wenn die Unternehmen nicht in den kommenden Monaten ihre Investitionsentscheidungen für 1997 deutlich revidieren“.

Auch steigende Exporte bringen keine Jobs

Sogar beim Export sieht der DIHT-Wissenschaftler noch Probleme. „Eigentlich ist der Export der einzige Hoffnungsträger für die Wirtschaftsentswickung im kommenden Jahr“, sagt Albrecht. Die Unternehmen hätten dem DIHT mitgeteilt, daß sie im kommenden Jahr immerhin fünf Prozent mehr zu exportieren hoffen. Aber diese höhere Ausfuhr werde sich auf dem Arbeitsmarkt kaum positiv bemerkbar machen. Erstens würden von der guten Ausfuhrbilanz nur große, international orientierte Unternehmen profitieren, während viele kleine, allein auf den deutschen Markt orientierte Firmen in der Talsohle blieben.

Und zweitens habe sich die Jobwirksamkeit der Exporte deutlich vermindert. Während früher die ganzen Produkte von Arbeitnehmern in Deutschland hergestellt und anschließend exportiert worden seien, würden inzwischen immer größere Anteile der Produktion in Billiglohnländern vorgefertigt. Die günstigen Produkte werden dann in Deutschland nur mehr veredelt. Diese Sahnehäubchenproduktion bringe aber nicht genug zusätzliche Jobs, um die Arbeitslosenzahl von über vier Millionen merklich zu senken.