Warten aufs Jahr 2221

■ Neue Studie prognostiziert, Angleich von Ost und West erst in 25 Jahren

Bonn (taz) – Erst in etwa 25 Jahren wird es bei der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen Ost- und Westdeutschland einen Gleichstand geben: So jedenfalls die entscheidenden Prognose, die eine Gruppe führender deutscher Sozialwissenschaftler nach jahrelanger Erforschung des Vereinigungsprozesses aufgestellt hat.

Professor Richard Hauser von der Universität Frankfurt am Main betonte gestern bei der Vorstellung der Ergebnisse der „Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern“ (KSPW), es sei damit zu rechnen, daß der Finanztransfer vom Westen in den Osten noch ungefähr 25 Jahre geleistet werden müsse. Derzeit betrage der Nettoübertrag in die neuen Länder jährlich etwa fünf Prozent des westdeutschen Bruttosozialprodukts: 140 bis 150 Milliarden Mark im Jahr.

Eine weitere Prognose der KSPW: Der Anteil der Sozialhilfeempfänger und Langzeitarbeitslosen an der ostdeutschen Bevölkerung werde voraussichtlich noch weiter steigen. Die Arbeitslosigkeit wird Hauser zufolge im Osten erst im zweiten Jahrzehnt des kommenden Jahrhunderts auf ein „akzeptables Niveau“ sinken – und zwar vor allem aus demographischen Gründen.

Arbeitsförderungsmaßnahmen und die soziale Absicherung von Arbeitslosen seien deshalb noch lange erforderlich, stellen die „Berichte zum sozialen und politischen Wandel in Ostdeutschland“ fest. Die Gefahr einer zunehmenden Jugendarbeitslosigkeit und eines großen Mangels an Lehrstellen werde ebenfalls noch auf längere Zeit bestehen. Auch werde der Aufbau privater Vermögen in den neuen Ländern noch langsamer vor sich gehen als die Angleichung des Einkommensniveaus. Das durchschnittliche westdeutsche Niveau werde man kaum innerhalb einer Generation erreichen.

Die Berichte, entstanden auf Initative des Wissenschaftsrats, sind in sechs Bänden à 500 Seiten zusammengefaßt. Finanziert wurde die Arbeit der Kommission vom Bundesministerium für Forschung und Soziales. Philipp Gessler