Wortwaffen allen Kalibers

■ Der französische Jazz-Hopper Soon E MC und die türkisch-bremische Formation Cribb 199 kommen zum Kulturvergleich

„Relax Max, écoute donc ce son de sax.“ Das ist der erste Satz auf Intime Conviction, dem Album des Pariser Rap-Poeten Soon E MC. Es soll also in seiner intimen Beichte wieder einmal um die entspannende Wirkung des Jazz gehen. Doch dabei beläßt es der Rapper aus dem Pariser Quartier du Nord keineswegs. Zwischen seine entspannten Flows streut der Überzeugungstäter immer wieder explizite Aussagen gegen Arbeitslosigkeit, Rassismus oder die Europäische Gemeinschaft. Scheinbar nebenbei beklagt er den „betrügerischen Vertrag von Maastricht“ und die Beschäftigungspolitik der französischen Regierung, die auf eine Gesellschaft ohne Arbeit zusteuert. Das alles läßt er en passant fallen, mogelt es dazwischen, ohne seine Stimme zu erheben. So ist Soon E MC, der am kommenden Samstag in der Markthalle auftritt, zu gleichen Teilen Musikologe wie Polit-Rapper.

Wie sein Freund MC Solaar der „Posse 500“ entwachsen, hält er sich, anders als der wortspielende Architexter aber an den Flow. Eleganz und Souveränität sind seine Meßlatten. Dazu steuert DJ Seeq einen mehr als amtlichen JazzHop bei, der sich allerdings – wie schon bei ihrem Debut Atout...Point De Vue selten zu Ohrwürmern aufschwingt. Trotz ausgiebigen Touren steht Soon E MC deshalb immer noch im Schatten von MC Solaar, dem Synonym für Franco-Hop. Dabei sind die Auftritte des freundlichen Franzosen bisher stets zu ausgelassenen musikalischen Ansprachen geraten.

Zuvor werden Cribb 199, die es gerade mit ihrem türkischen Rap zu einiger Viva-Popularität bringen, die Bühne erklimmen. Das Trio ist, wie man so schön sagt, ein Musterbeispiel der Multikulturalität: Alleen ist arabischer Türke, Aydin aus Ost-Anatolien und Mike stammt aus Bosnien. Gemeinsam haben sie im Freizeitheim Findorff in Bremen die alte Schule des Rap durchlaufen, samt Breakdance und Graffiti.

Überhaupt ist die Geschichte von Cribb 199 – „Cribb“ heißt im US-amerikanischen Slang Zufluchtsort – eine Geschichte der Street Credibility. Denn begonnen hatte ihre Karriere als Hauptdarsteller der ZDF-Doppelpunkt-Reportage „Die letzte Chance – eine Band zwischen Kriminalität und Erfolg“, in der die bremischen Verhältnisse den US-amerikanischen Ghettos ähneln. In kürzester Zeit konnte man etwa in den Straßen eines Bremer Viertels, das von Gangs kontrolliert wurde, einsatzfähige Feuerwaffen allen Kalibers erstehen. Bremen wurde zu Compton und Cribb 199 – so wollten die Mainzelmänner glauben machen – hatten nur die Wahl zwischen Knast oder Musik. Auch wenn man beim ZDF vielleicht allzu sehr der HipHop-Mythologie auf den Leim gegangen ist, verfügen Cribb 199 seither über die Credibility, die trotz aller Fantastischen 4 scheinbar auch bei uns zählt.

Volker Marquardt

Sa, 9. November, 21 Uhr, Markthalle