Ruf 0-190 Bremen

■ Wirtschaftsförderer planen „Call Center City“: Kundenkontakt per Telefon Chance für B-Standorte

Die Bremer Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WfG) will Bremen zu Deutschlands „Call Center City“ machen. Damit faßt WfG-Mann Heinrich Mura Dienstleistungen zusammen, die Kunden per Telefon oder Computernetz abrufen können: Bankkunden überweisen per Telefon, Teenies lassen sich die Geheimnisse ihrer Idole per Info-Hotline einflüstern, Ticket-Center reservieren Eintrittskarten, Fluglinien buchen Sitze, Versandhäuser nehmen Bestellungen entgegen, Dienstleistungsagenturen nehmen die fragenden Anrufe entgegen, die Markenartikel-Hersteller mit der Ansage von „0190-Nummern“ lostreten.

Weil man das theoretisch von jedem Ort aus erledigen kann, zählt Mura den Unternehmen die Pluspunkte Bremens auf, zum Teil ein Spiegelbild der schlechten wirtschaftlichen Situation: Niedrige Immobilienpreise und Löhne, ein großes Potential von Arbeitskräften, gutes Hochdeutsch und passable Fremdsprachenkenntnisse, StudentInnen als Aushilfen und großzügige öffentliche Strukturförderung. Außerdem gibt es drei Feiertage weniger als in Bayern.

Muras Vorzeigekunde ist die „größte Ansiedlung, die die WfG je nach Bremen geholt hat“: Die Fly-Line, die für die British Airways (BA) und ihre Tochtergesellschaften Reservierung und Marketing per Telefon erledigt. Zur Zeit nehmen nach Angaben von Fly-Line-Chefin Monika Schade 75 MitarbeiterInnen 46.000 Anrufe im Monat entgegen. Ende 1997 zieht die Firma in einen Neubau am Flughafen. Insgesamt will die BA 50 Millionen Mark investieren, bis zum Jahr 2000 sollen 450 Menschen beschäftigt werden.

Die Bezahlung ist nicht üppig. Ein „Telefon Sales Agent“ verdient bei Fly-Line etwa 2.500 bis 3.000 Mark brutto plus Sonderprämien. Dennoch: „Wir lechzen nach solchen Stellen“, so Arbeitsamts-Direktor Christian Hawel. Das Arbeitsamt ist auf den „Call-Center-Zug“ aufgesprungen. Monika Schade lobt die unbürokratische Vorauswahl und Vorabschulung von Arbeitskräften. Bei 38.000 Arbeitslosen könne man jede Nachfrage abdecken, sagt Hawel.

Wenn es nach Mura geht, werden von diesen einige „dienstleistungsorientierte“, auch am Sonntag morgen freundliche BremerInnen einen Job am Telefon finden. Denn der Markt boomt. Call Center schießen wie Pilze aus dem Boden, besonders die irische Hauptstadt Dublin hat sich zur europäischen Telefonzentrale entwickelt.

Die Konkurrenz ist aber auch in Deutschland enorm. Gerade sogenannte B-Standorte erhoffen sich viel von der neuen Dienstleistung. So sitzt die Lufthansa mit ihrer zentralen Reservierung in Kassel. In Wilhelmshaven haben sich drei Anbieter auf dem Gelände der geschlossenen Schreibmaschinenfabrik Olympia angesiedelt.

Muras Fang für Bremen ist die Agentur TAS Telemarketing. Sie wird im Frühjahr –97 ins Airport Center am Flughafen einziehen und nach Angaben von Geschäftsführer Mark Hustede 70 MitarbeiterInnen einstellen. TAS nimmt bereits in Hannover und Hamburg Anrufe entgegen oder ruft im Auftrag an. Bezahlt wird pro Anruf. Das ist praktisch für Kunden, die etwa durch eine Werbeaktion nur kurzfristig Interesse wecken. Der Kostendruck der Unternehmen hilft der Branche. „Wir beteiligen uns nicht am Gejammer über den Standort Deutschland“, sagt der TAS-Chef.

Im Airport Center neben TAS ist auch ein „Muster Call Center“ als Demonstrationsobjekt geplant. Hier sollen interessierte Unternehmen über die Möglichkeiten der Dienstleistung per Telefon aufgeklärt werden – und nebenher wird für die „Call Center City Bremen getrommelt. Träger soll eine GmbH aus WfG, TAS und weiteren privaten Teilhabern sein. So preist Siemens hier seine technischen Angebote für Call-Centers an, ein Möbelhersteller demonstriert seine eigens für die Branche entworfenen Arbeitsplätze. Mura denkt weiter: Der Bremer CDU-Staatssekretär im Bundesforschungsminsterium, Bernd Neumann, solle sich dafür einsetzen, die Reservierung für den Transrapid nach Bremen zu holen.

Joachim Fahrun