Neunzig Jahre Blick von außen

Willy Brandt im Press Club oder Derek Winter auf der Stalinallee – der „Verein der ausländischen Presse“ blickt auf eine bewegte Geschichte zurück  ■ Von Dietmar Neuerer

Die wechselvolle Geschichte Berlins zu beobachten war ihr Beruf. Damals, in der Nazizeit und während des Kalten Krieges, berichteten sie als Auslandskorrespondenten für ihr Heimatland. Heute sind sie die Veteranen unter den Nachrichtenmachern und nach langer Abwesenheit wieder in Berlin.

Die vier grauen Herren, bestes journalistisches Urgestein, sind Mitglieder des „Vereins der Ausländischen Presse“, der dieses Jahr seinen 90. Geburtstag feiert. Auf dem Podium im Bundespresseamt haben sie Platz genommen: Derek Winter, in den fünfziger Jahren Korrespondent für die schwedische Abendzeitung Expressen, Howard Smith, ehemaliger Berlin- Korrespondent für United Press, Peter Johnson, in den sechziger Jahren Berichterstatter für die BBC, und Predrag Milojević, der einst als Auslandskorrespondent für die Belgrader Zeitung Politika in Berlin tätig war. Die alten Herren haben das Zeitgeschehen beobachtet und unter zum Teil widrigsten Umständen gearbeitet.

Die Geschichten, die sie heute erzählen, sind Anekdoten aus einem turbulenten Jahrhundert. Der heute 95 Jahre alte Milojević erzählt von einer seiner ersten Begegnungen mit „dem noch unbekannten“ Adolf Hitler. „1930 traf ich ihn im Hauptquartier der NSDAP. Hitler schien erfreut, daß ich mich für ihn interessierte. Die meisten Zeitungen wollten ihn nicht ernst nehmen, das war ein großer Fehler.“ Howard K. Smith berichtet von den Schwierigkeiten, die die zahlreichen Auslandskorrespondenten mit dem Propagandaministerium hatten. „Es wurde ein Kampagne eingeleitet, mit der die Unabhängigkeit der Auslandspresse angegriffen wurde“, erinnert er sich. „Sämtliche eroberten Länder mußten ihre früheren Korrespondenten abberufen und sie durch sorgfältig ausgesiebte Lohnschreiber ersetzen.“

Derek Winter war dreimal Vorsitzender des Vereins der Auslandspresse. Er kam erst nach der Nazizeit nach Berlin und hat die Zeit des Kalten Krieges erlebt. „Die Journalisten“, erzählt er, „trafen sich im British Press Club in der Taubertstraße im Grunewald. Dort traf man oft Willy Brandt, der damals noch für die norwegische Presse arbeitete.“

Für Winter erwies sich der Standort Berlin als Glücksfall. Zwar verlagerte sich das politische Geschehen bald nach Bonn, doch Winter wußte: „Was in Europa passiert, das fängt in Berlin an.“ So kam es, daß er über den Volksaufstand am 17. Juni 1953 sechs Stunden früher berichtete als die übrige Weltpresse: „Ich war am 16. Juni nach Ost-Berlin gefahren, um meinem angereisten Chefredakteur die neue Stalinallee zu zeigen – gerade in dem Moment, als der spontane Streik der Maurerbrigaden begann und der Volksaufstand schon vorauszusehen war.“ Heute denkt Winter mit Nostalgie an die damalige Zeit zurück. Vor allem die Begegnung mit Ernst Reuter hat ihn sehr beeindruckt. Heute sind die Berichterstatter von einst glücklich, ein wiedervereinigtes Berlin vorzufinden. „Man kann durch die historische Mitte fahren und sich wie ein freier Bürger fühlen“, sagt der ehemalige BBC-Korrespondent Peter Johnson. Das soll auch die kleine Ausstellung dokumentieren, die noch bis 28. November im ehemaligen Staatsratsgebäude zu sehen ist.