Bundesliga aktuell
: Familie, Jagdhund und große Füße

■ Ausgewählte Spielertypen der 90er, Folge 2: Der blonde Hüne

Der blonde Hüne wird von Gegenspielern und Journalisten gleichermaßen gefürchtet, denn kommt er erst mal in Fahrt oder sieht er sich einem Mikrofon und einer Fernsehkamera gegenüber, ist der blonde Hüne nicht mehr zu halten.

Privat wirkt der blonde Hüne dagegen wie ausgewechselt. Obwohl er wie ein Pornodarsteller aussieht, ist er in Wirklichkeit ganz Familienmensch. Zu Hause ist der blonde Hüne

Die Elf der blonden Hünen:

Prototyp: Olaf Bodden; Genialer Hüne: Stefan Effenberg;

Trainer: Siegfried Held

Tor: Oliver Kahn (188 cm/87 kg); Abwehr: Martin Kree (184/ 82), Andre Trulsen (191/95), Reinhard Stumpf (191/89), Jörg Bach (191/84);

Mittelfeld: Thorsten Fink (181/ 80) – nach der Pause Stefan Effenberg (186/85), Ingo Anderbrügge (190/80) – nach der Pause Bernd Schuster (schwerelos), Alexander Zickler (188/84);

Angriff: Markus Feldhoff (185/ 80), Karsten Bäron (197/85), Olaf Bodden (193/92)

vorzugsweise in nördlichen Gefilden, lebt zurückgezogen in Nobelvierteln und bewohnt bevorzugt Doppelhaushälften mit seiner besseren Hälfte, von der böse Zungen behaupten, sie sei das blonde Huhn. Das ist natürlich blanker Unsinn, denn so mancher blonde Hüne weiß eine brünette bessere Hälfte an seiner Seite.

Neben besserer und Doppelhaushälfte spielt noch eine weitere Hälfte eine wichtige Rolle im Leben des blonden Hünen: Er ist zur Hälfte an den Werbegeldern beteiligt, die sein Freund und Berater für ihn ausgehandelt hat. Das sichert ihm die Zukunft nach der Zeit als Profi, denn der blonde Hüne weiß von seinem Berater und Freund, daß vorsorgen besser ist als Zigarren verkaufen.

Wenn er gerade mal nicht Fußball spielt oder Interviews gibt oder Autogramme schreibt, spielt der blonde Hüne mit seinen blonden Kindern und seinem Jagdhund. Um das Essen für die Kinder und den blonden Hünen kümmert sich die Frau des Hünen. Hundenahrung dagegen hat der blonde Hüne zur Chefsache erklärt. Er wacht persönlich darüber, daß der Jagdhund nur Pedigree Pal kriegt, damit sein Fell schön glänzt.

Auf dem grünen Rasen glänzt der blonde Hüne durch hünenhaftes Zweikampfverhalten, kraftvolles Spiel und Kopfballstärke. Immer wieder tauchen aber auch Exemplare des Hünen auf, die Hünenstatur und Genie in sich vereinen. Beide, der kraftvolle wie der fußballerisch geniale Hüne, erfahren im europäischen Süden traditionell viel Anerkennung, wie die Ahnengalerie des blonden Hünen zeigt:

Karl-Heinz Schnellinger, ein kompromißloser Abwehrspieler, schaffte in den sechziger Jahren, was bis heute keinem deutschen Fußballer mehr gelingen sollte: Er spielte für den AC Mailand.

Günter Netzer begeisterte in den siebziger Jahren nicht nur die Fußballwelt, sondern auch die Welt der Links- und Halbintellektuellen. In Spanien nannte man ihn den „Engel mit den großen Füßen“.

Hans-Peter Briegel lehrte in den achtziger Jahren als „teutonischer Panzer“ und die Tifosi das Staunen und die Calciatori das Fürchten, wenn er den Ball, der an seinem Fuß klein wie eine Pfälzer Kohlrabi wirkte, vorantrieb.

Bernd Schuster trat in Spanien als „blonder Engel“ mit wehender Mähne in die Fußstapfen Netzers. Schuster lehrte nicht nur Gegner, sondern vereint mit seinen besseren drei Vierteln namens Gabi vor allem Trainer und Funktionäre das Fürchten. Joachim Frisch

Nächste Folge: Der bunte Vogel