Italien vor neuer Regierungskrise

■ Während in der Regierungskoalition Eiszeit herrscht, plant Exkorruptionsjäger Di Pietro die Regierungsübernahme

Rom (taz) – So richtig leiden konnten sich die beiden noch nie – Romano Prodi, Italiens Ministerpräsident, ein leutseliger Typ ohne Lug und Trug, und Massimo D'Alema, unübertrefflich arroganter Chef der Mehrheitsfraktion PDS in der regierenden „Olivenbaum“- Koalition. Mittlerweile hat sich das Klima jedoch zu einer „echten Eiszeit“ entwickelt (il manifesto), „offene Feindseligkeit“ bestimmt das Verhalten (L'Espresso).

Konnte sich Romano Prodi bis vor kurzem noch strahlend auf „erstmals volle fünf Jahre einer Regierung“ einrichten, weil die Opposition auf Jahre hinaus heillos zerstritten schien, so sehen die meisten Auguren die nächste Regierungskrise bereits unmittelbar vor der Tür – „nach der Verabschiedung des Haushalts“ oder spätestens im Frühjahr, munkeln sie. D'Alema tut jedenfalls alles, Prodi und einzelne seiner Minister zu demontieren – vor allem den ehemaligen Sonderstaatsanwalt in Sachen Korruption und heutigen Minister Antonio Di Pietro.

Der neueste Coup des ehrgeizigen D'Alema: Er verlangt von „seiner“ Regierung eine schnellstmögliche „Bereinigung“ der Korruptionsprozesse. Dies nämlich hat Silvio Berlusconi, Chef der rechtsgestrickten Forza Italia, zur Bedingung dafür gemacht, daß er einer Verfassungskommission des Parlaments keinen Stein mehr in den Weg legt, der D'Alema gerne vorsitzen möchte und mit deren Hilfe er sich dann die neue Verfassung auf den Leib schneidern möchte – als direkt gewählter Regierungschef. D'Alema, der bereits seit langem mit Berlusconi kungelt und im Gegenzug dafür ständig auf den Fernsehschirmen des Medienmoguls erscheint, sieht in der Allianz mit dem umstrittenen und von Korruptionsskandalen erschütterten Wirtschaftskapitän eine lange, erfolgreiche Zukunft für sich. Umgekehrt wittert Berlusconi große Geschäfte im Reiche „Massimos des Allergrößten“, so die Titulierung des Satiremagazins Cuore für den Fraktionschef der PDS.

Im Weg steht beiden dabei nur einer – eben jener quirlige Ex- Staatsanwalt Antonio Di Pietro, der ausschließlich auf Betreiben Romano Prodis und eher zum Ärger D'Alemas Minister für öffentliche Arbeiten wurde. Der Jurist genießt wegen der Operation „mani puliti“ noch immer solches Ansehen, daß ihm im Falle einer Parteigründung 38 Prozent ihre Stimme versprechen (gegenüber etwa 30 Prozent für die Rechts- und nur knapp mehr für die aktuelle Mitte- Links-Allianz). So lassen die Paladine D'Alemas denn keine Gelegenheit aus, Di Pietro zu demontieren. Zu diesem Zweck scheuen sie nicht zurück, noch so unseriöse Presseartikel über angebliche Schmiergeldannahmen Di Pietros weidlich auszuschlachten.

Doch Di Pietro geht immer wieder rehabilitiert aus solchen Machenschaften hervor – am Wochenanfang glückte es ihm gar, scheinbar schwer belastende Abhörprotokolle eines Schweizer Finanziers als üble Manipulation zu entlarven und selbst wieder in die Offensive zu gehen. Unverhüllt droht Di Pietro jetzt damit, seinerseits die Koalition zu sprengen und Neuwahlen durchzusetzen. Vorläufig ist D'Alema eingeknickt. Er hat Di Pietro einen Brief geschrieben, in dem er ihn seiner „vollständigen Solidarität“ versichert. Der Kampf um Rom ist noch längst nicht entschieden. Werner Raith