Stelzend auf Zungen- und Zehenspitzen

■ Ernst Jandls „Die Humanisten“ in der Nachtkantine im Schauspielhaus

Almdudler überall, Almdudler in den Ausschankfächern der Nachtkantine, Almdudler auf Deckchen, im neckischen Dialog mit weißen und roten Nelken. Daneben ein Wimpel mit Schäferhundprofil, umrankt von der tiefschwarzen Losung: „deutsch sprach + österreichisch vaterland schutzen“.

Mit vorfreudiger Geschäftigkeit windet sich ein Mann (Stefan Merki) zwischen Tisch-, Stuhl- und Publikumsbeinen hindurch zum Tresen, verteilt Almdudler im Publikum und erklimmt zackigen Schritts die Bühne, die den Tischwimpeln nachempfunden ist. Mit einem Ausdruck schmatzender Genugtuung drückt er den Hauptlichtschalter. Zwei Kassenbrillenträger, (Stephan Bissmeier, Martin Horn) treten auf. „ich professor sein, was du sein“- „ich künstler sein“- „ich universitätsprofessor sein“- „ich großkünstler sein“... Das gegenseitige Vorstellen der eigenen Gewichtigkeit als verbales Skatspiel, bei dem erst mit „ich nobelpreisen sein“ der letzte Trumpf aus dem Ärmel gezogen ist, und die beiden, die sich nun bis zur Gleichheit in Superlativen hochdekliniert haben, können sich als Kollegen endlich die Hände schütteln. Doch bevor sich knicksende Kunst mit vaterlandschreiender „Witzelnschaft“ zum Zwecke deutschtümelnder Kulturgutbewahrung vermählt, geht es zur Theke. Da wird mit Goetheversen gezotet, Tresenedikte über den Verfall der deutschsprachigen Hochkultur verfaßt.

Was in Jandls Gedichten oft das Schriftbild ausdrückt, übernimmt in der Inszenierung von André Becker der Schauspielerkörper. Auf Zungen- und Zehenspitzen, lautmalend, leisetretend, stelzend, oder kriechend. Weder Punkt noch Komma kann die Flut der Lesarten aufhalten, und so sind es Gebärden und Stimmen der Akteure, ob kleinmütiges Säuseln oder lithurgischer Singsang, die den Silbenkaskaden ihre vorläufig endgültige Bedeutung geben. Für geistige Ergüsse reicht schon der Anblick eines blutig-verrotzten „Tazentuchs“. Und während der Wissenschaftler sich anstrengt, den Bogen vom Nasenbluten zum Kosmischen mit ausladenden Gesten zu schlagen, verebbt sein Kausalitäten-Fundus und seiner zur großen Sinnumarmung ausgefahrenen Hand, bleibt nur noch übrig, den verstummten Gelehrtenkopf zu kratzen. Das Stück, geprägt vom einem Grundton suizidaler Heiterkeit, der bei Becker manchmal ins Clowneske kippt, endet im brüderlichen Humanisten-Sterben und mit einem scheinbar auf dem Weg von Mund zu Ohr gerissenen „schlutz“.

Birgit Glombitza