Airbus knackt den Jackpot

Superauftrag für Deutsche Airbus verlangsamt Arbeitsplatzabbau in Finkenwerder  ■ Florian Marten

„Das Monopol von Boeing haben wir nicht gebrochen, aber angeknabbert.“ Hans-Günther Eidtner, Betriebsratschef der Daimler-Tochter Deutsche Airbus GmbH (DA) in Finkenwerder, gibt sich verhalten optimistisch: „Es könnte sein, daß wir langfristig nicht unter die 7000 Arbeitsplätze absinken, die wir heute in Finkenwerder haben.“ Anlaß für Eidtners gebesserte Stimmung ist ein fast sicherer Großauftrag der US-Fluggesellschaft USAir an das europäische Airbuskonsortium. Angesichts der Bestellung von etwa 400 Jets im Gesamtwert von bis zu 18 Milliarden Dollar jubelte das französische Wirtschaftsblatt La Tribune: „Airbus knackt den Jackpot in den USA“ – mit dem größten Auftrag in der Geschichte der zivilen Luftfahrt.

Tatsächlich ist Airbus Industries in den vergangenen Monaten eine Trendwende geglückt, die noch im Frühjahr 1996 kaum jemand für möglich gehalten hätte: Mit Aufträgen aus China, Kanada und den USA – vor der USAir orderten bereits die United Airlines – gelang ein Einbruch in Stammärkte des Marktführers Boeing, der 1995 den Weltmarkt mit einem Anteil von 69,7 Prozent absolut dominiert hatte. Experten sahen zur Jahreswende 1995/96 Airbus bereits am Boden: Daimler-Chef „Rambo“ Jürgen Schrempp hatte das europäische Airbus-Konsortium gegen sich aufgebracht, der chinesische und russische Markt schienen verloren, das Projekt eines Großraumflugzeugs war geplatzt, der technologische Vorsprung verspielt. Und: Boeing war durch radikale Kostensenkungsprogramme betriebswirtschaftlich scheinbar uneinholbar davongezogen.

Mitte 1996 wendete sich das Blatt: Der stabile Dollarkurs, das in Deutschland heftig umstrittene DA-Kostensenkungsprogramm (Eidtner: „Bei Dolores war ja nicht alles Mist“) und eine Reihe von Boeing-Pannen mit der direkten Airbus-Konkurrenz 737, brachten Airbus wieder ins Spiel. Eidtner stolz: „Wir können heute kostenmäßig mit Boeing mithalten.“

Wollte Airbus 1995 noch mit Boeing zusammen ein Großraumflugzeug entwickeln, so läuft das Projekt Airbus 3XX-100 jetzt in Konkurrenz zu Boeing. Derzeit sucht Airbus Industries noch finanzkräftige Partner, da sie die geschätzten Entwicklungskosten von 12 Milliarden Mark nicht allein aufbringen kann. Gelingt aber diese Attacke, dann ist Boeing um einen Trumpf ärmer: Mit dem bislang konkurrenzlosen Jumbo 747 fliegt Boeing den Hauptteil seiner Gewinne ein.

Der Airbus-Erfolg des Jahres 1996 ist schon ohne den USAir-Auftrag beachtlich: Mit 269 Bestellungen (gegenüber 100 Flugzeugen in 1995) hat sich die Auftragssituation schon fast verdreifacht. Wird der USAir-Auftrag bestätigt, käme Airbus mit 409 Festbestellungen (und weiteren 260 USAir-Optionen) schon nahe an die 505 Festbestellungen des Erzrivalen Boeing heran.

Obwohl die Produktion in Finkenwerder sich durch die gestiegene Nachfrage gar in absehbarer Zeit verdoppeln könnte, dürfte das am Hamburger Arbeitsmarkt wenig ändern. „Dolores geht weiter“, bestätigt Eidtner. Immerhin dürfte aber der Abbau von Ausbildungs- und Facharbeiterplätzen gestoppt werden. Günstigstenfalls sind 100 bis 150 Neueinstellungen möglich. Ein bitterer Nachgeschmack: Wenn ein sensationeller Erfolg auf dem Weltmarkt gerade mal 100 Arbeitsplätze bringt – worauf sollen Hamburgs 90.000 Arbeitslose eigentlich noch warten?