Poesie der Anatomie

■ Kleinode schwarzen Humors: Lieder von Fabian im Unart

Fabian ist Fetischist. Gliedmaßenfetischist, um genau zu sein. Kein Lied, in dem nicht eine Hand oder ein Kopf, eine Zunge oder ein Herz in separatem Zustand präsentiert werden. Kleine, blutrünstige, skurrile Geschichten werden von dem Barden aus Ostwestfalen ganz ungothisch zum besten gegeben. Hände werden vom Vater auf den Sohn vererbt, Mädchen, die wie Jungen aussehen, erschlagen, Selbstmörder auf der Intensivstation gnadenlos zum Überleben gezwungen. Roald Dahl läßt grüßen.

Dessen Schreiberei hat sich Fabian zum Vorbild erkoren: „Ich war sehr unzufrieden mit dem deutschen Liedgut, aber anstatt zu jammern, habe ich den Griffel selbst in die Hand genommen.“ Herausgekommen ist anatomielastige Poesie. Vielleicht liegt es daran, daß Fabian früher Krankenpfleger war.

Bis auf die Hommage an den deutschen Antischlager passiert bei Auftritten nicht viel auf der Bühne. Weniger ist mehr: Der Sänger sitzt auf seinem Hocker, spielt, begleitet von Herrn Hormes am Kontrabaß, Gitarre und rattert rasant Kleinode des schwarzen Humors herunter wie andernorts die Kassiererinnen im Supermarkt die Zahlenreihen. Für die Frauen an der Kasse hegt Fabian durchaus Sympathie, er selbst beschreibt sich eher als einen sehr langsamen und bedächtigen Typ. Die schnellen Kompositionen wollen nicht zu dieser Selbstaussage passen, aber auch nicht zu der jungenhaft zur schau gestellten Scheu. Die leichtfüßigen Rhythmen sind den Sinti und Roma gewidmet, denn sie haben ihm das Gitarrenspielen beigebracht. Mit „Zigeunerjazz“ begann dann auch seine Laufbahn als Musiker.

Außer in Paderborn, die beiden wohnen in der Nähe, bekommen Fabian und Herr Hormes stets gute Kritiken. Das könnte sich jetzt ändern, denn das Duo ist für den westfälischen Kleinkunstpreis nominiert. Pervers und ekelhaft, finden manche dort die Lieder, frauenfeindlich ebenfalls – obwohl sie durchaus männerfeindlich sind. Egal, wen der schwarzhumorige Pfeil trifft, gelacht wird über das, worüber eigentlich nicht gelacht werden kann. „Nur so kommen die Leute auf sich selbst zurück.“ Soll heißen zum Nachdenken. Letzteres allerdings bleibt Selbstzweck, denn Fabian hält es „für eine Illusion, daß man mit Liedern die Welt verändern kann“. Waltraud Schwab

Bis 10. 11, 20.30 Uhr im Unart, Oranienstraße 163